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einmal festgesetzten Gang der Dinge. Denn was soll dieses Ein
greifen? Was soll mitten in der gesetzmäßig geschaffenen Welt
das plötzliche Wunder? Etwa die Welt besser machen? Dies
hieße die Schöpfung berichtigen; dies hieße anerkennen, daß die
Welt schlechter ist, als sie zu sein bestimmt war, oder daß die
geschaffene Welt die beste nicht ist, was der göttlichen Gerechtig
keit und damit dem Begriff des wahren Gottes selbst widerstreitet.
Wenn aber ein übernatürliches Eingreifen Gottes in den Gang
der Dinge überhaupt nicht stattfindet, so ist auch unmöglich, daß
sich Gott in unmittelbarer und ausnehmender Weise Einzelnen
offenbart; so müssen die deistischen Begriffe derartige Offenbarun
gen verneinen, wie sie jene positiven Religionen des reinen Mo
notheismus, wie sie Judenthum ünd Muhamedanismus bei ihren
Stiftern voraussetzen. Weil sich nach deistischen Begriffen Gott in
der Weltordnung d. h. auf eine natürliche Weise offenbart, darum
erscheint dem reinen Deismus jede naturwidrige oder übernatür
liche Offenbarung Gottes unmöglich, und Alle werden ihm ver
dächtig, die sich für Träger und Auserwählte einer solchen Offen
barung ausgeben. Unter diesem Gesichtspunkte richteten sich die
wolfenbüttler Fragmente, die auf den reinen Deismus gegrün
det waren, gegen die Bibel und die daraus gegründete Religion.
Leibniz' natürliche Theologie war, was sie ihrer ganzen An
lage nach sein mußte: Deismus. So hat Lessing die leibnizische
Lehre beurtheilt; er hat mit der größten Entschiedenheit behaup
tet, daß sie klarer und bewußter Deismus gewesen sei. Dem
leibnizischen Deismus ist es nicht eingefallen, den Wunder- und
Offenbarungsglauben, die Menschwerdung Gottes, die Trini
tät u. s. f. zu seinen Wahrheiten zu rechnen; er wollte sie nur
den positiven Religionen nicht rauben. Er setzte sie ohne Wei
teres auf die Liste des Uebervernünftigen, und hier muß man