Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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Vergnügen des Augenblicks und , was die Zukunft betrifft, eine 
abgestumpfte, quietistische Philosophie, die Leibniz mit den Alten 
als die ,.faule Vernunft (la raison paresseuse)“ bezeichnet. 
Sobald wir das göttliche Wirken einer blinden Nothwendigkeit 
oder einer leeren Willkür gleichsetzen, gerath die menschliche Ver 
nunft auf dem einen oder andern Wege in das Labyrinth des Fa 
talismus , in den antiken Glauben an das Verhängniß und die 
Parcen, oder in mahomctanische Schicksalsideen, d. h. in einen 
Aberglauben, der auf gleiche Weise der Religion wie der Ver 
nunft widerstreitet. 
Die Schöpfung ist ein Act der göttlichen Kraft oder All 
macht. Wäre sie nur ein Act der Allmacht, so müßte Gott Alles 
schaffen, was seine Kraft vermag, und die Schöpfung wäre in 
diesem Falle die nothwendige Folge der göttlichen Wesensenergie. 
Sie wäre metaphysisch nothwendig, wie das Dasein Gottes 
selbst. Aber das göttliche Wesen ist nicht bloß die allesvermö- 
gende Kraft, sondern zugleich der allessehende Verstand, der auf 
das Deutlichste erkennt, was die Allmacht in sich schließt. Dar 
um ist die Schöpfung zugleich ein Act des göttlichen Verstandes, 
der die vollkommene Weisheit selbst ist, und wenn die erste Be 
dingung des Schaffens die Existenz der Kraft war, so ist die 
zweite die Intelligenz und Weisheit dieser Kraft. Gesetzt aber, 
die Schöpfung wäre n u r ein Werk der Weisheit, so müßte Gott 
Alles hervorbringen, was in seinem Verstände enthalten ist 
und er aus das Deutlichste vorstellt; die Schöpfung wäre in 
diesem Falle die nothwendige Folge der göttlichen Intelligenz, ein 
Erzeugnißdes vollkommensten Denkens. Sie wäre dann logisch 
nothwendig, wie die Wahrheiten und Begriffe des Verstandes. 
Da nun im göttlichen Verstände Alles auf das Deutlichste vor 
gestellt wird, was die Allmacht in sich begreift; da die intelligente
	        
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