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4. Gemüthsheiterkeit.
Indessen jenes tragische Moment wiegt in dem Leben von
Leibniz nicht schwer. Es trat zu spät ein, um den durch eine
glückliche und reiche Welterfahrung gereiften Charakter zu verstim
men oder gar zu verbittern. Die Harmonie der Weltordnung,
dieser innerste Gedanke seines Systems und seines Lebens, war
ihm stets gegenwärtig; er wußte, daß die peinlichen Widersprüche,
die uns im Augenblicke beunruhigen, Nichts sind als vorüberge
hende Mißtöne, welche den großen Einklang der Dinge nicht stö
ren. Er liebte überhaupt die tragischen Conflicte nicht. Seine
Weltanschauung war dem Geiste des Humors verwandt, denn
sie war glücklich, und eine glückliche Ruhe bildete den Grundton
seiner Gemüthsstimmung. Er begriff in dem Zusammenhange
der Dinge eine ewige Nothwendigkeit, und seine Empsindungs-
weise stimmte mit diesem Begriffe überein. Das ist ein Charakter
zug des ächten Weisen, den er mit Spinoza gemein hat. Aber
das Weltgesetz offenbarte sich seinem Geiste nicht in der ewigen
Vernichtung, sondern in der ewigen Erhaltung der Dinge; die
Weltordnung bestand nach seinem eigenen schönen Ausdruck in
einer „glücklichen, heitern Nothwendigkeit", weil sie den Einzel
wesen das freie Spiel ihrer Kräfte und das frohe Selbstgefühl
ihres Daseins gönnt und einräumt. Ihm erschien die Nothwen
digkeit „mit Grazie umzogen", sie glich der neidlosen Gottheit,
während sie bei Spinoza, um im Bilde zu bleiben, das Ansehen
des neidischen Schicksals hatte, welches alle Dinge gleichmäßig
vernichtet. Dieser Anblick nun einer glücklichen Weltordnung,
welche dem Menschen Genüge leistet, mußte die Seele des Philo
sophen zugleich erheben und erheitern. Er durfte den Ernst der
Weisheit mit einem zufriedenen Selbstgefühle und einem heitern