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verderben und daß in der Sectenpolitik stets aus der Verläum-
dung und Unredlichkeit eine Tugend gemacht wird. Das gilt
vvn den öffentlichen Parteien jeglicher Richtung so gut als von
der letzten literarischen Kameradschaft. Die Abneigung gegen
diesen starren, unfruchtbaren, unsittlichen Geist, welchen der
Sectenzwang unvermeidlich mit sich führt, liegt in dem Selbst
gefühle ächter Aufklärung begründet und äußert sich in Leib
niz eben so lebhaft als in Lessing. Sie bildet gleichsam eine Fa
milienähnlichkeit in diesen beiden größten Charakteren unserer Auf
klärung. Und wenn in dem Leben Beider ein tragisches Motiv
gesucht werden darf, so ist es eben der Gegensatz ihres Uni
versalgeistes gegen die Herrschaft der Secten, wo
sie sich immer geltend macht; so ist es dieser Conflict, den Lcib-
niz mit aller Milde und klugen Vorsicht nicht vermeiden konnte,
den Lessing muthigcr durchgekämpft hat, und den Beide bitter
genug empfinden mußten. Am Ende ihres den größten Aufgaben
gewidmeten Lebens standen sie einsam und fast verlassen, weil sie
dem Sectengeiste verdächtig waren. Bei den Protestanten galt
Leibniz bald für einen Convertiten des Katholicismus, bald für
einen Freund der Jesuiten; und die Jesuiten, weil ihnen die oft
versuchte Bekehrung nicht gelang, nannten ihn einen „Jndifferen-
tisten". Zuletzt kamen sie Beide überein, daß Leibniz ein Un
gläubiger sei, und wie man erzählt, so wurde auf einer lutheri
schen Kanzel der Name Leibniz in das plattdeutsche „Lövenir"
verwandelt, welches so viel als „Glaubt Nichts" sagen will.
Noch im Tode verfolgte ihn der erboste Sectengeist. Er hatte
während seines Lebens zu wenig Beweise kirchlicher Frömmigkeit
gegeben, darum versagte man dem Todten die gewöhnlichen Zeichen
der Theilnahme und die letzten religiösen Gebräuche. Er wurde ohne
Ehrenbezeugungen begraben; kein Geistlicher folgte dem Sarge.