Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

591 
3. Keine Willensindifferenz. 
Zft aber der menschliche Wille immer auf ein bestimmtes 
Ziel (bewußt oder unbewußt) gerichtet, immer von einem be 
stimmten Streben erfüllt, so steht er niemals in einem Jndif- 
ferenzpunkte zwischen entgegengesetzten Richtungen, so schwebt er 
niemals in einem moralischen Gleichgewichte, .worin nach ver 
schiedenen Seiten genau dieselbe Neigung, dieselbe Disposition 
stattfindet. Denn gäbe es für verschiedene Handlungen eine voll 
kommen gleiche Willensdisposition, so müßten wir nothwendig 
Vieles zugleich wollen, und da dies unmöglich ist, so wären wir 
nothgedrungen in der Lage, gar Nichts zu wollen. Der nach 
entgegengesetzten Seiten gleich geneigte Wille würde unbeweglich 
stillstehn, wie ein Körper, den gleich starke Kräfte nach entgegen 
gesetzten Seiten bewegen. Giebt es keinen leeren Willen, keine 
unbedingte Wahlfreiheit, so giebt es auch keinen gleich geneigten, 
so ist die gänzliche Indifferenz, das vollkommene Aequilibrium 
psychologisch unmöglich, denn in diesen Zuständen müßte im 
Willen ein Vacuum stattfinden. „Was die Willensfreiheit be 
trifft," sagt Leibniz, „so muß man sich vor einer Einbildung 
hüten, die allen Begriffen des gesunden Verstandes wider 
spricht, nämlich vor der Annahme einer absoluten Indifferenz 
oder eines Gleichgewichtes (inäMrönco absolue ou d’equilibre), 
die manche für die Freiheit, ich aber für eine Chimäre halte*)." 
Der wirkliche Wille befindet sich niemals in einer solchen unent 
schiedenen Schwebe, in einer solchen charakterlosen und gleich 
loir, et cela irait ä l’infini. Nouv. ess. Liv. II. chap. 21. Op 
phil. pg. 255. Vgl. Theod. Part. I. Nr. 51. pg. 517. 
*) Lettre ä Mr. Coste de la necessite et de la eontingence. 
Op. phil. pg. 448.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.