Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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die Naturerscheinungen nach dem Gesetze der Causalität erklären 
d. h. mit andern Naturerscheinungen verknüpfen; die Methode 
der Erfahrung dagegen für analytisch (inductiv), weil sie vom 
Einzelnen fortschreitet zum Allgemeinen. 
Wir sind es Leibniz schuldig, sein oberstes Denkgesetz gegen 
die Angriffe und Mißverständnisse zu schützen, die seit Hegel und 
der von ihm begründeten Logik Sitte geworden sind. Man hat 
gesagt, der Satz des Widerspruchs erlaube nur das einzige Ur 
theil A = A, und wie dieses Urtheil augenscheinlich leer und 
nichtssagend sei, so rücke man eben mit jenem Denkgesetze nicht 
von der Stelle. Das ist falsch. Man darf nach dem Denkge 
setze der Identität auch urtheilen: A — a, b, c, d, e . . . , 
d. h. A ist gleich der Reihe aller seiner Merkmale. Jedes Glied 
dieser Reihe bedeutet ein Prädicat von A, und damit enthält jene 
Formel eine Reihe verschiedener Urtheile, die alle von dem Satze 
der Identität abhängen. Auch dürfen wir in Leibniz' Geiste nicht 
unbedingt einräumen, was man unbedingt eingeworfen hat, daß 
sich das Denkgesetz der Identität mit dem Entwicklungsproceß 
der Dinge nicht vertrage. Leibniz wenigstens hat beide gleich 
mäßig behauptet, und er muß nothwendig den Satz der Identi 
tät in einem Verstände gedacht haben, welchem der Begriff der 
Entwicklung nicht zuwiderläuft. Jedes Ding entwickelt, was in 
ihm liegt. Von dieser Wahrheit ist Leibniz so sehr überzeugt, 
daß sie den Mittelpunkt seiner Philosophie ausmacht. Aber jedes 
Ding entwickelt auch nur, was in ihm liegt: es entwickelt nur 
sich selbst, und insofern vollzieht jeder Entwicklungsproceß ein 
analytisches Urtheil, welches mit dem Satze A=A übereinstimmt. 
Der Widerspruch mithin, welchen Leibniz durch sein Denkgesetz 
für unmöglich erklärt, ist nicht der naturgemäße, der in jeder 
Entwicklung, jeder Bewegung, jedem Werden vorkommt, son-
	        
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