Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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II. 
D i e deutliche Vorstellung der Harmonie. 
1. Vernunft- und Erfahrungswahrheiteii. 
Daß die Möglichkeit der Erkenntniß gewisse ursprüngliche 
oder angeborne Ideen in uns voraussetzt, sei bewiesen. Welches 
sind diese angebornen Ideen? Jede Erkenntniß ist ein Satz oder 
ein Urtheil; in einem wirklichen Erkenntnißurtheile muß dasPra- 
dicat eine nothwendige und wesentliche Bestimmung sein, welche der 
objectiven Natur des Dinges selbst zukommt. Allgemeine und noth 
wendige Erkenntnisse sind Wahrheiten, und hier unterscheiden sich 
deutlich zwei Classen von Wahrheiten nach dem Umfange der 
Dinge, den sie beschreiben. 
Begreift nämlich die Wahrheit alle möglichen oder denkbaren 
Dinge in sich, so ist sie eine reine Vernunftwahrheit; geht sie 
dagegen nur auf die wirklichen, in der Natur gegebenen Dinge, 
so ist sie eine Natur- oder Ersahrungswahrheit, denn die natür 
liche oder wirkliche Existenz der Dinge erscheint uns zunächst als 
eine Thatsache der Erfahrung. Mithin bestehen alle unsre Er 
kenntnisse entweder in Vernunft- oder in Erfahrungswahrheiten*). 
Die Vernunftwahrheiten gründen sich auf das Princip der Mög 
lichkeit (Denkbarkeit); die Erfahrungswahrheiten auf das der 
Wirklichkeit (Thatsächlichkeit). Unter dem Principe der Möglich 
keit verstehen wir die Bedingung, unter der allein irgend etwas 
existiren oder gedacht werden kann: was dieser Bedingung ent- 
die Einheit des Mannigfaltigen. (Mendelssohns sämmtl. Werke. Bd. II. 
Brief 1 — 6). 
*) II y a aussi deux sortes de verites, celles de raisonne- 
meiit et celles de fait. Monad. Fr. 33. Op. phil. pg. 707.
	        
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