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wir Alles zusammen, so läßt sich schließen, daß unsere bemerk
baren Vorstellungen in einer graduellen Entwicklung (par degres)
aus den Vorstellungen entstehen, die zu klein sind, um bemerkt
zu werden. Urtheilt man anders, so kennt man in der That
wenig die unermeßliche Feinheit der Dinge, die immer und überall
ein wirklich Unendliches in sich schließen*)."
2. Die kleine» Vorstellungen als Bedingung
des Mikrokosmus.
Das unendlich Große und das unendlich Kleine durchdringen
sich im Individuum. Hier nämlich kann das eine nur durch das
andere dargestellt werden. Setzen wir das unendlich Große gleich
dem Universum und das unendlich Kleine gleich der bewußtlosen
Vorstellung, so leuchtet ein, daß in der menschlichen Seele das
Universum nie ganz klar und deutlich, also entweder gar nicht
oder nur unklar und undeutlich vorgestellt werden kann. Nur
vermöge der bewußtlosen Vorstellung ist daher im Individuum
das Ganze, das Unendliche, die Vorstellung der Welt gegenwär
tig. Ohne das dunkle, unbewußte Seelenleben giebt cs keinen
Mikrokosmus. Ohne bewußtlose Vorstellungen, die das Ganze
in sich schließen, giebt es im wahren Sinne des Worts keinen
Wcltzusammenhang, der jedes Wesen mit allen übrigen verbin
det. Der Weltzusammenhang gleicht einem unendlich seinen, un
endlich verschlungenen Gewebe, worin jeder Theil durch zahllose
Fäden mit allen übrigen verknüpft ist. Keine menschliche Wissen
schaft ist jemals im Stande, alle diese Fäden zu übersehen, jeden
derselben zu unterscheiden und in seinem eigenthümlichen Laufe
zu verfolgen. Und doch sind sie, doch entspringen und münden
*) Nouv. essais. Avant-propos. Op. phil pg. 198.