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Zn der Natur erscheinen uns die Dinge um so größer, je
deutlicher und sichtbarer sie werden, um so kleiner, je weiter sie
sich von unserm Standpunkte entfernen. Hier scheinen die Vor
stellungen wirklich zu wachsen und sich zu verkleinern. Dieser
Vergleich der bewußten Vorstellungen mit den optischen (sichtba
ren) liegt so nahe, daß wahrscheinlich eine solche Analogie unserem
Philosophen vorgeschwebt hat, wenn er die Vorstellungen sich ver
deutlichen läßt, indem sie wachsen oder größer werden, und auf
der andern Seite die undeutlichen und bewußtlosen Vorstellungen
insgesammt als „kleine Vorstellungen (perceptions peti-
tes)“ bezeichnet: das sind diejenigen, die entweder nur schwach
und wie aus weiter Ferne oder gar nicht appercipirt werden (por-
ceptions insensibles, imperceptibles). Diese kleinen Vorstel
lungen im menschlichen Geiste sind analog den kleinen Körpern
in der Natur, und sie verhalten sich zu den bewußten Vorstellun
gen , wie die Corpuskeln oder Atome zu den sichtbaren Körpern.
Die bewußte Vorstellung unterscheidet sich von der bewußtlosen,
wie das Große vom Kleinen, nicht durch einen Gegensatz, son
dern durch eine graduelle Stufenreihe, die allmählich aus dem
Kleinen das Große entstehen läßt. Alles in der Welt fängt klein
an, die Bewegung in der Natur, wie die Vorstellung im Geiste,
und es wird groß, indem es wächst und sich entwickelt. Das
Große ist das entwickelte Kleine. Die großen (intensiven oder
bewußten) Vorstellungen sind die entwickelten kleinen oder un
bewußten.
Wie nun alle Entwicklung auf dem Gesetze der Continuität
beruht, so erklärt dieses Gesetz allein, wie aus dem bewußtlosen
Leben das bewußte, aus der Seele der Geist hervorgeht. Wenn
cs in der Welt nichts Kleines gäbe, so gäbe es keinen Anfang,
kein Werden, und das Große wäre eine plötzliche, unbegründete