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treten und ihn wieder verlassen, ebenso allmählich treten die Vor
stellungen in unser Bewußtsein, verlieren an Deutlichkeit, je
weiter sie sich nach der Grenze der geistigen Gesichtsweite entfer
nen, und wie sie die äußerste Linie überschreiten, so sinken sie
wieder herab in die Schattenregion der Seele. Wir vergleichen
die bewußten Vorstellungen mit den sichtbaren Dingen, die be
wußtlosen mit den nicht sichtbaren, sei es, daß wir diese noch
nicht gesehen haben oder nicht mehr sehen. Wird man noch sagen,
daß es außer den bewußten Vorstellungen in unserer Seele gar
keine Vorstellungen giebt? Dies wäre ungefähr, als ob man sa
gen wollte: außer den Dingen, die wir sehen, giebt es auf unserer
Erde keine Dinge weiter; die Grenze unseres Horizontes ist die
Grenze unseres Weltkörpers ; wo der Himmel die Erde zu berüh
ren scheint, da berührt er sie wirklich! So dürfen die Kinder
urtheilen, aber nicht die Geographen. In der That, ein Psycho
log, der die bewußtlosen Vorstellungen leugnet und die menschliche
Seele da aufhören läßt, wo der bewußte Geist aufhört, käme
einem Geographen gleich, der die Erde für eine Fläche erklärt
und unsern Gesichtskreis für deren Grenze. Wie der sinnliche
Horizont nur den kleinsten Theil der irdischen Welt umfaßt, so
erleuchtet der bewußte Geist immer nur einen sehr kleinen Theil
des menschlichen Mikrokosmus und erleuchtet ihn so, daß die be
wußten Vorstellungen von der Peripherie nach dem Centrum zu
immer deutlicher, von dem Centrum nach der Peripherie hin im
mer dunkler werden. Ein Psycholog, der die bewußte Vorstel
lungswelt in diesen Schattirungen nicht einsieht, in dieser wach
senden und abnehmenden Deutlichkeit, gleicht einem chinesischen
Maler, der die Kunst der Perspective nicht versteht und dessen
Bilder darum so weit hinter den Anschauungen der Natur zu
rückbleiben.