Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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hingen giebt. Ja sie beweist mehr: daß die Seele, wenn sie 
nicht mit Bewußtsein vorstellt, immer von bewußtlosen Vor 
stellungen eingenommen und erfüllt ist. Die tägliche Erfahrung 
lehrt uns, daß wir nicht immer bewußte Vorstellungen haben; 
sie läßt dahin gestellt sein, ob es bewußtlose Vorstellungen giebt 
oder nicht, ob der bewußtlose Geist in gewisser Weise thätig oder, 
wie Locke will, vollkommen leer ist. Die Thatsache der Erkennt 
niß erklärt, daß es angeborne Erkenntnißprincipien und darum 
bewußtlose Vorstellungen geben müsse; sie läßt dahin gestellt sein, 
ob die letzteren sich nur auf jene zur Erkenntniß nothwendigen 
Ideen beschränken und außerdem die Seele von Vorstellungen 
entblößt ist. Diese Möglichkeit verneint die Metaphysik. Sie be 
hauptet , daß der menschliche Geist nirgends „tabula rasa“ ist, 
daß seine eingeborne Kraft immer handelt, also immer vorstellt, 
sei es mit oder ohne Bewußtsein: daß die bewußtlose Vor 
stellung so lange wirkt, als die bewußte nicht wirkt. 
Auch genügen die Thatsachen unserer Erfahrung allein, um 
in Uebereinstimmung mit den Gesetzen der Metaphysik die Existenz 
der bewußtlosen Vorstellungen mit voller Sicherheit zu erklären. 
Es ist durch Erfahrung gewiß, daß wir bewußte Vorstellungen 
haben. Es ist eben so gewiß, daß wir nicht immer mit Be 
wußtsein vorstellen. Also bleibt für unsere nicht bewußten Zu 
stände nur übrig, daß hier entweder gar keine Vorstellungen sind 
oder bewußtlose. Setzen wir den ersten Fall: es seien gar keine 
Vorstellungen, die bewußtlosen Seelenzustände seien leer, so ent 
steht die Frage: woher kommen dann die bewußten? Aus Nichts 
läßt sich niemals Etwas erklären, Bewegungen können nur aus 
Bewegungen, Vorstellungen nur aus Vorstellungen folgen. Wenn 
den bewußten Vorstellungen gar keine Vorstellungen vorangingen, 
so würden jene aus Nichts folgen, sie würden vollkommen un
	        
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