Zehntes Capitel.
Die Entwicklung des Bewußtseins. Die kleinen
Vorstellungen.
Mit der Untersuchung der bewußtlosen Vorstellungen durch
dringt die leibnizische Philosophie die geheime Werkstätte der geisti
gen Welt und erleuchtet jene dunkle Gegend der Seele, welche
die Naturseite des menschlichen Geistes ausmacht. Man darf be
haupten , daß Leibniz dieses Gebiet für die philosophische Seelen
lehre gewonnen hat; daß sich unter seinem Gesichtspunkte zum
erstenmal die Einsicht aufgeschlossen hat in die natürliche Entste
hung des Bewußtseins aus dem dunklen Leben der Seele. In
unseren bewußlosen Vorstellungen entdeckt Leibniz die fruchtbaren
Factoren, welche den Zusammenhang des geistigen Lebens mit dem
natürlichen vermitteln, die Eigenthümlichkeit der Individualität
ausprägen und in stetig fortschreitender Entwicklung die Schwelle
des Bewußtseins erreichen. Auf diese Vorstellungen gründet sich
das Naturleben des Menschen, das wir mit den übrigen Wesen
niederer Art gemein haben, und zugleich die unsagbare Eigen
thümlichkeit, vermöge deren sich jeder Einzelne von allen andern
Wesen seiner Art unendlich unterscheidet. Von hier aus betrachtet,
erscheint die Differenz zwischen Mensch und Thier als eine kleine,
die Differenz zwischen Mensch und Mensch als eine unendlich