Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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Ideen von Außen gegeben, von Gott selbst unmittelbar angebo 
ren und aus dem Wesen des menschlichen Geistes allein nicht zu 
erklären. Warum nicht? Weil aus dem bloßen Denken nicht 
die Erkenntniß der Dinge, aus dem Selbstbewußtsein nicht der 
Natur-, geschweige der Gottesbegriff folgen kann. Nach Leib- 
niz dagegen sind jene Ideen in der Natur des menschlichen Gei 
stes vollkommen begründet: sie sind nicht von Außen gegeben, da 
von Außen überhaupt Nichts in das Wesen einer Monade ein 
tritt; sie sind auch nicht von Gott gegeben, da Gott einen un» 
mittelbaren Einfluß auf die Monaden überhaupt nicht ausübt; 
vielmehr sind sie in dem Wesen des menschlichen Geistes enthalten, 
sie liegen in dessen ursprünglicher, angeborner Verfassung und ma 
chen daher seine Naturanlage. 
Descartes erklärt die Principien der Erkenntniß aus der 
Kraft Gottes, der sie unserm Geiste eingepflanzt hat; Leibniz 
aus der Anlage des menschlichen Geistes, die ohne unser Zuthun 
als eine ursprüngliche Thatsache fest steht; Kant und Fichte er 
klären sie aus der Kraft des menschlichen Geistes, der sie durch 
die That des Selbstbewußtseins hervorbringt. So trifft auch in 
diesem Punkte Leibniz die richtige Mitte zwischen der dogmatischen 
und kritischen Philosophie. Die Principien der Erkenntniß sind 
ihm nicht Producte Gottes, auch nicht Produkte des Menschen, 
sondern Naturell des Geistes. Und nur sofern die Natur über 
haupt als ein Product oder eine Schöpfung Gottes angesehen wird, 
nur in diesem mittelbaren Sinne dürfen die angebornen Ideen 
von Gott hergeleitet werden. Indem Leibniz den menschlichen 
Geist aus der Natur erklärt, entspricht seine Vorstellungsweise 
noch dem naturalistischen Charakter der dogmatischen Philosophie; 
aber er bildet den Vorläufer der kritischen, da er im Wesen des 
Menschen allein den Grund der Erkenntniß entdeckt: die ange-
	        
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