Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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Rigoristen der Vernunfterkenntniß, die ohne Zweifel die Meister 
der speculativen Philosophie sind, haben immer behauptet, was 
der Rigoristen der Empirie immer in Abrede gestellt: daß es ur 
sprüngliche und ewige Wahrheiten gebe, die von dem menschlichen 
Geiste begriffen werden und allein durch ursprüngliche und ewige 
Ideen begriffen werden können. Wir wollen hier diese Streitfrage 
nicht entscheiden, aber es läßt sich eine Formel finden, in der 
sich beide Parteien vereinigen müssen. Diese Formel ist gefunden, 
sobald wir den kategorischen Satz der Rationalisten in einen hy 
pothetischen verwandeln. Gesetzt, es giebt in der menschlichen 
Erkenntniß allgemeine und nothwendige Urtheile im strengen 
Sinne des Worts, so muß es im menschlichen Geiste allgemeine 
und nothwendige Begriffe geben, die nicht anders als a priori 
existiren können, indem sie allen unsern empirischen und beding 
ten Vorstellungen vorangehen. Die Realisten, wie sie sich ge 
wöhnlich nennen, leugnen den Schlußsatz, weil sie die Voraus 
setzung leugnen. Denn sie sagen: es ist nicht wahr, was sich 
die Idealisten einbilden: es giebt überhaupt keine allgemeinen und 
nothwendigen Urtheile, und was wir mit einigem Scheine so nen 
nen, das sind in Wahrheit nichts als gewisse sinnliche Beobach 
tungen , die sich oft wiederholt haben. In Wahrheit ist jedes 
menschliche Urtheil ein particulares, geschöpft aus Thatsachen 
und gegründet also auf einzelne Fälle. Wenn in dem Kreise un 
serer Beobachtung dieselbe Erscheinung unter denselben Merk 
malen oft wiederkehrt, so verallgemeinern wir zuletzt unser Ur 
theil und nennen es dann generell. Das ist eine Täuschung die 
einen subjectiven Sprachgebrauch, der kaum mehr als Gewohn 
heit ist, für eine objective Wahrheit ausgiebt, die einem Natur 
gesetz gleichkommen möchte. Weil nach unserer Erfahrung irgend 
eine Thatsache bis jetzt immer so geschehen ist: folgt daraus, daß
	        
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