Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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die angebornen Begriffe, die man vielleicht besser eingeborne 
nennt, die ursprüngliche Natur des Geistes oder dessen Anlage. 
Das ist der Gesichtspunkt, unter dem diese Grundlehre der leib- 
nizischen Erkenntnißtheorie von ähnlichen Vorstellungsweisen un 
terschieden und gegen die Angriffe der entgegengesetzten Philoso 
phie vertheidigt sein will. Der menschliche Geist beruht auf der 
Anlage der menschlichen Seele; diese Anlage enthält gewisse Vor 
stellungen, welche die wissenschaftliche Erkenntniß präformiren, 
indem sie dieselbe dynamisch bedingen: Ideen, die gleichsam die 
Keime der Wissenschaft, die virtuellen Erkenntnisse (connais- 
sances virtuelles) oder, wie sich Scaliger ausdrückt, den Sa 
men der ewigen Wahrheiten (semina aeternitatis) bilden. Und 
der Geist selbst ist die Entwicklung jener ursprünglichen Anlage, die 
Transformation jener präformirten Begriffe, die aus dunklen 
Vorstellungen deutliche, aus bewußtlosen reflectirte, aus bloßen 
Erkenntnißanlagen wirkliche Erkenntnisse werden. Das sind in 
wenigen Zügen die Hauptsätze, welche gegen Locke's Versuch 
über den menschlichen Verstand Leibniz in seinen neuen Versu 
chen über dasselbe Thema vertheidigt und ausführt. Sie lassen sich 
auf den Satz zurückführen, daß der Geist ein ursprüngliches We 
sen ist, dessen Kräfte zunächst als Anlagen d. h. im Zustande der 
Präformation existiren. 
2. Realismus und Idealismus. 
Die Theorie der angebornen oder ursprünglichen Ideen ist so 
oft aufgestellt worden, als man eingesehen hat, daß es Erkennt 
nisse giebt, die aus der Erfahrung schlechterdings nicht können 
abgeleitet werden; und sie ist so oft verneint worden, als man 
alle menschliche Erkenntniß nur aus der Erfahrung, alle Erfah 
rung nur aus der sinnlichen Wahrnehmung ableiten wollte. Die 
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