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Ideen nicht sind, da ist eine Vernunfterkenntniß unmöglich, und
wo die letztere möglich ist, da müssen jene gegenwärtig sein.
Sic müssen im menschlichen Geiste gegenwärtig sein, wenn aus
demselben Wissenschaft und Erkenntniß hervorgehen soll. Aber
wie findet der menschliche Geist diese Principien? Aus Thatsachen
können die allgemeinen und nothwendigen Begriffe unmöglich ab
geleitet, auf dem Wege inductiver Erfahrung können sie niemals
entdeckt werden. Wie sollten jemals aus einzelnen Thatsachen
allgemeine Begriffe, aus zufälligen Thatsachen nothwendige Be
griffe folgen? Also müssen sie, da sie a posteriori niemals gege
ben sein können, nothwendig a priori gegeben sein. Entweder
es giebt im menschlichen Geiste keine wahre Wissenschaft, oder es
finden sich in unserer Seele allgemeine und nothwendige Begriffe.
Entweder sind uns diese Begriffe gar nicht oder a priori gegeben.
Was aber a priori gegeben ist, das liegt in der ursprünglichen
Verfassung unseres Wesens oder ist uns angeboren. Wenn daher
im menschlichen Geiste nothwendige und allgemeine Wahrheiten
erkannt werden sollen, so müssen in seiner Anlage nothwendige
und allgemeine Begriffe enthalten sein: das sind die angebornen
Ideen, die unsere Erkenntniß präformiren.
III.
Die Theorie der angebornen Ideen.
1. Die angebornen Ideen als Erkenntnißanlage.
Die Erklärung des Geistes führt die leibnizische Philosophie
mit Nothwendigkeit zu der Annahme angeborner Begriffe, die allen
unsern Vorstellungen als Principien vorausgehen und das ver
nünftige Erkennen, wie das moralische Handeln, allein ermög
lichen. Da nun Alles, das sich in einer Monade findet, aus
der Natur dieses Wesens selbst erklärt werden muß, so bilden