Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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und, wenn sich die Fälle wiederholen, Regeln, die durch Ge 
wohnheit behalten, aber niemals durch Gründe erkannt werden. 
Wie sich die Regel vom Gesetz unterscheidet, so die sinnliche Vor 
stellung von der denkenden. Die Regel erklärt: daß etwas zu 
geschehen pflegt, weil es so oft geschehen ist; sie beruht allein 
auf sinnlich gegebenen, also zufälligen Thatsachen. Das Gesetz 
erklärt: daß etwas immer geschieht, weil es so geschehen muß; es 
beruht auf allgemeinen Principien, die keine Ausnahme zulassen. 
Die Wahrheit der Regel ist zufällig, wie die einzelne Thatsache; 
die Wahrheit des Gesetzes nothwendig, wie das Princip. Also 
wie sich die zufälligen, bloß factischen Wahrheiten von den noth 
wendigen Wahrheiten unterscheiden, so unterscheidet sich die Re 
gel vom Gesetz, die sinnliche Erfahrung von der Erkenntniß, das 
Gedächtniß von der Vernunft, die sinnliche Vorstellung von der 
denkenden: jene erhebt sich nur bis zum Gedächtniß der That 
sachen, diese bis zur Erkenntniß der Ursachen. „Es giebt," sagt 
Leibniz, „eine Combination der thierischen Vorstellungen, die eine 
gewisse Aehnlichkeit mit der Vernunft hat, aber diese Combina 
tion gründet sich nur auf das Gedächtniß der Thatsachen (In me 
moire des faits) und niemals auf die Erkenntniß der Ursachen 
(In connaissance des causes). So flieht der Hund den Stock, 
womit er geschlagen worden, weil ihm das Gedächtniß den 
Schmerz vorstellt, welchen ihm jenes Instrument verursacht hat. 
Und die Menschen, so weit sie Empiriker sind, das ist in drei 
Viertheilen ihrer Handlungen, machen es eben so wie die Thiere; 
man erwartet z. B., daß es morgen Tag werden wird, weil man 
es immer so erfahren hat. Nur der Astronom sieht den Aufgang der 
Sonne aus Gründen vorher, und auch diese Voraussicht wird 
zuletzt fehlschlagen, wenn die Ursache des Tages, die nicht ewig 
ist, aufhören wird. Aber die denkende Einsicht (raisonnement)
	        
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