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so ist die bewußte Vorstellungskraft ein bewußtes Selbst oder
Selbstbewußtsein. Das Bewußtsein nämlich, so können
wir uns in einer grammatischen Formel ausdrücken, regiert einen
doppelten Accusativ der Person und der Sache: es stellt die Dinge
und zugleich sein eigenes Wesen sich selbst (sidi) vor, es ist in
der letztem Rücksicht eine doppelte Reflexion, indem es sich selbst
sowohl im Dativ als im Accusativ regiert, und eben in diesem
Sinne nennen wir es Selbstbewußtsein. Das Bewußtsein ist
die reflexive Vorstellung der Dinge. Das Selbstbewußtsein ist
die reflexive Vorstellung des eigenen Wesens. In der Monade
fallen beide zusammen, denn da sie eine Vorstellung der Welt
oder einen Mikrokosmus bildet, so ist ihr Selbstbewußtsein zu
gleich Weltbewußtsein und umgekehrt.
Der Geist ist demnach, da er deutliche Vorstellungskraft ist,
selbstbewußte Monade. Daraus erklären sich die eigenthümlichen
Kräfte oder Attribute des Geistes: es sind die natürlichen Seelen-
kräste in der Potenz des Bewußtseins. Jede natürliche Seele war
die Entwicklung eines Individuums, und da jede Entwicklung
durch einen Zweck bestimmt wird, den sie verwirklicht, so waren
die natürlichen Seelenkräfte Vorstellung und Streben (Perception
und Appetition), denn die Vorstellung ist die Kraft, welche
Zwecke setzt, und das Streben diejenige, welche Zwecke verfolgt.
Also ist der Geist als bewußte Monade ein Individuum, welches
sich mit Bewußtsein entwickelt, d. h. welches mit Bewußtsein
vorstellt und mit Bewußtsein strebt. Mit Bewußtsein vorstellen
heißt wissen oder erkennen, mit Bewußtsein streben heißt wol
len. Auf das Erkenntnißvermögen gründet sich die Wissenschaft,
auf den Willen die Moral.
Unter Wissenschaft nämlich verstehen wir das Bewußtsein
vom Zusammenhange der Dinge, und dieser Zusammenhang be-