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machte, die leibnizische Harmonie aus dem Spinozismus zu er
klären und Spinoza als den eigentlichen Urheber jenes Gedan
kens zu rechtfertigen. Ihn verwirrte das Bestreben, welches
den wohldenkenden Mann später in seinem Streite mit Jacobi
so sehr verkürzte, daß er nämlich immer Spinoza mit Lcibniz
auszugleichen und, was das schlimmste war, diese beiden entge
gengesetzten Standpunkte gerade da zu versöhnen suchte, wo sie
einander augenscheinlich abstießen. Jacobi durfte den Unterschied
zwischen Spinoza und Leibniz auslöschen, indem er die demon
strative Verfassung ihrer Systeme ins Auge faßte, denn in der
That gehorchen beide dem Zuge der Beweisführung, und indem
sie mit den Gesetzen der Demonstration übereinstimmen wollen,
so treten für Jacobi beide in denselben Gegensatz zu dem religiösen
Gefühle. Aber daß innerhalb jener rationalistischen Verfassung
kein wesentlicher Unterschied bestehe zwischen der spinozistischen
und leibnizischen Weltbetrachtung, zwischen dem Jdentitätssysteme
und dem Harmonismus, daß sogar in jenem dieser schon enthal
ten und ausgesprochen sei, hätte sich Mendelssohn niemals über
reden sollen. Hier hätte er von seinem beliebten Satze, daß die
Streitigkeiten der Philosophen fast immer in Wortstreitigkeiten beste
hen, besser die umgekehrte Anwendung gemacht. Er hätte gut ge
than, sich hier den entgegengesetzten Fall zu denken, daß die Philoso
phen in den Begriffen abweichen können, wo sie in Worten miteinan
der übereinstimmen. Namentlich da Lessing, der Leibniz und Spino
za wohl zu unterscheiden wußte, seinen weniger scharfsinnigen Freund
gerade auf diesen Fall nachdrücklich genug aufmerksam machte.
„Ich muß Ihnen gestehen," schreibt Lessing an Mendelssohn, „daß
ich mit Ihrem Gespräche seit einiger Zeit nicht mehr so recht zu
frieden bin. Ich glaube, Sie waren damals, als sie es schrie
ben, auch ein kleiner Sophist, und ich muß mich wundern, daß sich