Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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Lehre Descartes'. Jeder Körper ist immer bewegt, auch im Zu 
stande der Ruhe; die bewegende Kraft ist immer lebendig, auch 
im Zustande der Trägheit: darum sind Bewegung und Ruhe v 
nicht Gegensätze, sondern graduelle Differenzen. Wären sie Ge 
gensätze, so könnte kein Uebergang von der einen zur andern statt 
finden, oder dieser Uebergang müßte durch einen Sprung gemacht 
werden, der dem Naturgesetz widerstreitet. Also werden wir die 
Ruhe betrachten als unendlich kleine Bewegung, die Trägheit 
als unendlich kleine Thätigkeit, die todte Kraft als die lebendige 
Kraft im Beginn, als den ersten Grad derselben oder als ihr 
„Element (vis elementaris)". Nun wird das Gesetz, welches 
für die Bewegung als solche gilt, natürlich auch gelten müssen 
für die unendlich kleine Bewegung: „das Gesetz der Ruhe," sagt 
Leibniz, „muß angesehen werden als ein besonderer Fall (comme 
un cas particulier) des Gesetzes der Bewegung." Das Maß, 
wodurch wir die lebendige Kraft schätzen, nämlich das Quadrat 
der Geschwindigkeit, gilt auch für das Element der lebendigen 
d. i. für die todte Kraft. 
Ueberhaupt müssen alle Gegensätze der Natur aufgehoben 
werden in dem Gesetz der continuirlichen Veränderung, und jede 
continuirliche Veränderung enthält den Begriff des unendlich 
Kleinen als ihr Element. Wenn sich Größen continuirlich ver 
ändern, wie z. B. die Curven, so geschieht diese Veränderung 
durch unendlich kleine Differenzen. Die continuirliche Grö> 
ßenveränderung führt daher nothwendig auf den Begriff des Dif 
ferentials und damit auf die Differentialrechnung, von deren Er 
findung wir oben gehandelt haben *). So kann z. B. die Para 
bel als eine Ellipse angesehen werden, worin der eine Brennpunkt & 
*) Vgl. oben Cap. VII. Nr. II. 3. S. 161 flgd.
	        
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