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daß sich in der Natur dieselbe Größe der bewegenden
Kraft, aber keineswegs, wie Descartes und seine Schüler
meinen, dieselbe Größe der Bewegung erhalte. Hier
erklärt sich jener berühmte physikalische Streit, der über das Maß
der bewegenden Kräfte zwischen den Cartesiancrn und Leibniz
geführt wurde. Man muß bis an den Ursprung der Bewegung
zurückgehen, um den Hauptpunkt der Streitfrage und deren me
taphysische Bedeutung zu begreifen, welche Leibniz immer her
vorhebt, so oft er die Sache berührt. Das Princip aller Be
wegung sei die bewegende Kraft. Descartes findet die erste be
wegende Kraft jenseits der körperlichen Natur in Gott, Leibniz
dagegen entdeckt sie in der Natur der Körper selbst. Aus dieser
Verschiedenheit in der physikalischen Grundanschauung erklärt sich,
daß die Naturgesetze der Bewegung von beiden verschieden aus
gelegt werden. Bei Descartes nämlich wird jeder Körper durch
fremde Kraft oder von Außen bewegt, er pflanzt diese Bewegung
äußerlich fort, und bei jedem Zusammenstoße zweier Körper ver
liert der eine immer so viel von der eigenen Bewegung, als er
dem andern mittheilt: darum bleibt im Ganzen die Größe der
Bewegung immer dieselbe. Dies folgt einfach aus der bloß
räumlichen Natur des Körpers. Bei Leibniz dagegen ist der
Körper seiner Natur nach nicht bloß geometrisch, sondern dyna
misch , nicht bloß Größe, sondern physikalische Kraft. Darum
erhält sich die Kraft in der körperlichen Bewegung, darum ist
das Constante innerhalb der bewegenden Natur die Größe der
Kraft oder die Summe der bewegenden Kräfte. Es handelt sich
um die Schätzung dieser Größe. Auf diese einfache Frage führt
sich der Streit zurück zwischen Leibniz und den Cartesianern.
Die Wirkung jeder bewegenden Kraft besteht darin, daß sie
einen Körper in Bewegung setzt, daß sie eine gewisse Masse in