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ein großer Körper der äußern Einwirkung eine größere Wider
standskraft entgegensetzen kann als ein kleiner, daß also eine ge-
wisse Widerstandskraft, eine gewisse Energie, in seinem Zustande
zu beharren, welche die Physiker Trägheit (inortio naturelle)
nennen, jedem Körper von Natur eingepflanzt ist. Ohne diese
Kraft, vermöge deren ein Körper wirkt und immer wirkt, kön
nen die wahren Naturgesetze der Bewegung weder entdeckt noch
verstanden werden.
II.
Der Begriff der Kraft.
1. Die Kraft als metaphysisches Princip.
Es ist also klar, daß die bloße Ausdehnung das Wesen des
Körpers nicht ausmacht. Freilich giebt es keine Körper ohne
^ Ausdehnung, aber daraus folgt nicht, daß mit der Ausdehnung
auch schon die Körper gegeben sind; vielmehr wird das wahre
Verhältniß beider so gefaßt werden müssen, daß nicht vermöge
der Ausdehnung die Körper, sondern umgekehrt vermöge der
Körper die Ausdehnung besteht. Denn es hat sich gezeigt, daß
in den Körpern gewisse Kräfte sein müssen, welche in der bloßen
Ausdehnung unmöglich sind").
*) Von dem Dasein solcher Kräfte in der Materie, von der Un
zulänglichkeit der Corpuscularphysik mit ihrer rein mechanischen Erklä
rungsweise der Körper haben bereits einige philosophirende Zeitgenosien
Descartes' das dunkle, aber lebhafte Gefühl gehabt: nämlich die engli
schen Naturmystiker Henry Moore mit seinem „principium liylav-
chicum“, Cudworth mit seiner „vis plastica“, Glisson mit der
4^, „natura energetica“. Sie suchen dem herrschenden, auf reine Natur-
wissenschast gerichteten Materialismus des Zeitalters dadurch zu begeg
nen, daß sie in der Materie gewiffe seelenhafte Kräfte behaupten. Ich
sehe nicht, wie Feuerbach unter diese Gegner der Corpuscularphysik auch
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