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solche ausgleichende Glaubenslehre zu versassen und eine wahre
Concordienformel zu bilden. Natürlich ließ sich diese Aufgabe
nur lösen durch eine Glaubensauseinandersetzung, mit welcher
beide Parteien zufrieden sein konnten. Was Bossuet in seiner
„tzxposition de la foi“ vom katholischen Standpunkt aus ge
than hatte, wollte jetzt Leibniz vom protestantischen aus versuchen;
er wollte genauer als Bossuet in die besonderen Glaubensbestim
mungen eingehen und die Sache selbst so einfach und klar als
möglich darstellen. Dieses sein System sollte nichts enthalten,
das nicht als Lehre kirchlich geduldet werden könnte. Ob die
Kirche eine solche Glaubenslehre einräumen dürfe, darüber sollte
nicht der Pabst, sondern zunächst die Bischöfe und zwar die ge
mäßigten unter ihnen entscheiden. Eine solche bischöfliche Appro
bation war darum das erste Ziel, welches Leibniz erreichen wollte.
Die bischöfliche Prüfung sollte zunächst heimlich geschehen und
durch einen Fürsten, der jenes neue Glaubenssystem den Bischöfen
vorlegte, vermittelt werden; diese durften nicht wissen, von wem
das System herrühre, damit nicht etwa ein protestantischer Name
von vorn herein ihr Urtheil dagegen einnehme. In diesem
Sinne schrieb Leibniz im Jahr 1686 an den Herzog Ernst
August, den er sich zum fürstlichen Vermittler wünschte. Der
Herzog ging zwar auf diesen Plan nicht ein, aber Leibniz führte
ihn aus oder brachte ihn wenigstens zu Papier und entwarf jene
Glaubenslehre, die man in seinem Nachlaß gefunden und unter
dem Namen „sxstoma theologicum“ (zum erstenmale 1819)
herausgegeben hat. Man wollte hier die Entdeckung gemacht ha
ben, daß Leibniz selbst die Absicht gehabt, katholisch zu werden.
Indessen ist das Schriftstück nichts weiter, als in jener diploma
tischen Absicht, die wir erklärt haben, ein dogmatischer Beitrag
zu dem Reunionsgeschäst jener Jahre, in denen Spinola mit den