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c) Genealogische Interessen.
Die Einführung der Primogenitur und die Verbindung der re
gierenden Häuser von Hannover und Celle waren wohlberechnete
Stützen des hannöverschen Hofes zur Erwerbung der Kurwürde.
Dazu konnten sich die Welfen auf ihre geschichtliche Abkunft, auf
die Macht ihrer Vorfahren berufen, die Stammesherzöge gewesen
waren. Es war daher nicht bloß eine fürstliche Modcsache, son
dern lag im Zusammenhange seiner politischen Zwecke, wenn der
Herzog Ernst August die Geschichte seines Hauses, die Genealo
gie der Welfen, deren Abkunft ein holländischer Genealog fabelnd
auf den römischen Kaiser Octavius Augustus zurückgeführt hatte,
urkundlich dargethan wünschte und diese Aufgabe Leibniz über
trug. So wird Leibniz seit 1685 braunschwcig-lüneburg'scher
Historiograph und macht zur Lösung seiner Aufgabe und zur
gründlichen Untersuchung der archivarischen Quellen eine Reise
durch Deutschland und Italien in den Jahren von 1687 —1690.
d) Hannover — Brandenburg.
In seiner Bewerbung um die Kurwürde hatte das welsische
Haus besonders den Widerstand des ihm benachbarten und stets
eifersüchtig von ihm angesehenen kurfürstlich - brandenburg'schen
Hauses zu fürchten. Diesen Widerstand zu beseitigen, gab es
1687) die Großmutter Friedrichs des Großen. Ihr böser Dämon am
hannöverschen Hofe war die Gräfin Platen, die Geliebte des Kurfürsten
Ernst August und, wie man sagt, die verschmähte Liebhaberin des Gra
fen Königsmark. Sowohl der Kurfürst als der Kurprinz lebten, wie
es die sittenlose Zeit mit sich brachte, unter dem Einfluß ihrer Mätressen.
Diese häuslichen und ehelichen Zerwürfnisse der schlimmsten Art bilden
die dunkle und widerliche Seite des hannöverschen Hofes in der Zeit, als
Leibniz dort lebte und wirkte.