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aus dem ersten Jahr seines pariser Aufenthalts; sie wird den
Akademien von Paris und London vorgelegt, und die letzte er
nennt Leibniz im folgenden Jahre (April 1673) zu ihrem Mit-
gliede, ein Jahr nach Newton.
3. Differentialrechnung.
Die größte Erfindung, die den Namen Leibniz in der Ge
schichte der Mathematik verewigt und neben das Genie Newtons
als ebenbürtig gestellt hat, sollte er im letzten Jahr seines pariser
Aufenthalts machen. Als Leibniz in den ersten Monaten des
Jahres 1673 in London war und dort mit berühmten Naturfor
schern in Berührung kam, stand seine eigene, aus Deutschland her
übergebrachte, mathematische Bildung hinter der englisch-franzö
sischen noch weit zurück. Er kannte damals noch nicht die un
endlichen Reihen und keineswegs gründlich die Geometrie Descar-
tes' und dessen analytische Methode. Das tiefere Studium der
Geometrie begann Leibniz erst in Paris, nach seiner Rückkehr von
London, unter der Führung von Huygens. Seine früheren mathe
matischen Speculationen hatten sich vorzugsweise auf die Diffe
renzen der Zahlen bezogen. Jetzt traten diese Beobachtungen,
die er seit einem Jahrzehend gepflegt und schon in seiner Schrift
über die Combinationskunst dargelegt hatte, in eine fruchtbare
Berührung mit seinen neuen geometrischen Studien, und aus
dieser Verbindung reifte der erfinderische Gedanke einer neuen,
mit den erstaunlichsten Erfolgen in der Geometrie anwendbaren
Rechnung, die Leibniz die „Differenzenrechnung" oder
„Differentialrechnung" nannte. Diese Erfindung brachte
er im Jahr 1676 zu Stande. So bestimmt Leibniz selbst in
Briefen, die vierzig Jahre später geschrieben sind, deren Entste
hung und Zeitpunkt. Man kann den unermeßlichen Werth die-
Tischer, Geschichte der Philosophie II. — 2. Auflage. j [