Volltext: Julius Schulte und seine Schüler

auf dem er besonders nach dem Kriege eine umfangreiche Tätigkeit entwickeln sollte. Den Anfang 
machten die Villenkolonien an der Greilstraße und Franckstraße, die er zusammen mit Prof. Rodler- 
Wien im Auftrage der Baugenossenschaft „Familie" im Jahre 1913 ausführte. 
Im Jahre 1914 rückte Schulte als Reserveleutnant zur Kriegsdienstleistung ein und wurde auf dem 
nördlichen Kriegsschauplatz im Oktober desselbenJahres durch einen seitlichen Bauchschuß schwer ver¬ 
letzt. Seine Verwendung an der Front kam dadurch nicht mehr in Frage, und so wurde er bis zum 
Kriegsende zum Verwaltungsdienst in Wien und Niederösterreich kommandiert. In das Jahr 1915 fällt 
seine Vermählung mit Julie Filkuka, welche er gelegentlich eines Urlaubes in dem alten mährischen 
Städtchen Jamnitz kennengelernt hatte. Er fand in ihr eine Frau, die seinen künstlerischen Eigenheiten 
volles Verständnis entgegenbrachte und ihm in guten und schlechten Zeiten wacker zur Seite stand. 
Mit rührender Liebe hing Schulte an seinen vier Kindern, für welche er auch in Zeiten anstrengendster 
Arbeit immer noch Zeit fand, sich mit ihnen zu beschäftigen und ihre Entwicklung zu verfolgen. 
Mit Kriegsende übersiedelte Schulte wieder nach Linz. Allerdings bot sich ihm hier zunächst 
nicht mehr dasselbe reiche Betätigungsfeld, wie vor dem Krieg. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der 
Nachkriegszeit wirkten sich auch auf die Bautätigkeit der Gemeinde Linz aus. Der Mangel an einer 
seinem Talent entsprechenden Beschäftigung und die Abneigung gegen ein rein beamtenmäßiges 
Ausüben seines Berufes veranlaßten ihn, Ende 1921 seine Stellung als Stadtbaurat aufzugeben und 
sich gänzlich seiner inzwischen wieder erheblich angewachsenen Privatpraxis zu widmen. Hier waren 
es in erster Linie eine Reihe von Fabriksbauten, welche er im Auftrage eines Konzerns für chemische 
Fabrikate zu projektieren und zum Großteil auch auszuführen hatte. Es sind dies die Permanganat- 
fabrik (jetzt Landesfeuerwehrschule) in Linz, die Saccharinfabrik in St. Peter bei Linz, die Glutin¬ 
werke in Wegscheid, die Alkali-Elektrolyse in Steeg bei Hallstatt u. a. 
Ein weiteres großes Betätigungsfeld eröffnete sich ihm, wie bereits erwähnt, in den bald nach 
dem Kriege ständig zunehmenden Siedlungsbauten und genossenschaftlichen Wohnhausbauten. Aufs 
neue drückte Schulte mit diesen markanten Bauten dem Linzer Stadtbild seinen künstlerischen Stempel 
auf. Wesentlich verschieden von den Vorkriegsbauten erstanden nun rund um Linz die Genossen¬ 
schaftssiedlungen „Am grünen Anger", „Römerberg", „Am Hagen" und „Niederreith", ferner in der 
Stadt selbst die Großwohnhausbauten in der Figuly-, Ferihumer- und Sophiengutstraße, die ob ihrer 
künstlerischen Eigenart einen wahren Sturm von Für und Wider beim Linzer Publikum auslösten. Das 
am meisten umstrittene Objekt dürfte wohl der1 imposante Umbau des Linzer Hauptpostgebäudes 
sein, welches in seiner wuchtigen Geschlossenheit den ganzen Stadtteil um die Pfarrkirche beherrscht. 
Was jedoch den Ruf Schultes weit über seine engere Heimat hinaus begründete und was 
schließlich die Veranlassung wurde, daß er an die Lehrkanzel für Baukunst an der Technischen Hoch¬ 
schule in Graz berufen wurde, sind vor allem seine Erfolge bei drei großen Wettbewerben, die unter 
der Jury prominenter Fachleute wie Bonatz-Stuttgart, Behrens, Josef Hoffmann usw. sein Können 
weiteren Kreisen kundtaten. Es sind dies die Wettbewerbe für den Neubau des Linzer Bahnhofes 
und für die Kuranlagen der oberösterreichischen Heilbäder Schallerbach und Bad Hall. Sie bedeuten 
wohl den Höhepunkt des künstlerischen Schaffens Schultes. 
Im Jahre 1926 wurde Julius Schulte als ordentlicher Professor an die Technische Hochschule 
Graz berufen. Dies bedeutet einen neuen Abschnitt in seinem Leben. Es war nicht zu verwundern, daß 
ein Mann wie Prof. Schulte die Herzen seiner jungen Hörer im Sturm eroberte. Über sein Wirken als 
akademischer Lehrer wird im folgenden noch eingehender berichtet werden. Es sei nur vorweggenom¬ 
men, daß er in Kürze einen eigenen Kreis um sich sammelte, eine „Schulte-Schule", die wohl noch 
lange in der Tradition der Grazer Technik eine Rolle spielen wird. 
Unbeschadet seiner Lehrtätigkeit widmete sich Prof. Schulte zwischendurch weiterhin seiner 
Praxis in Linz. Schon seit dem Jahre 1922 hatte er sich mit Vorprojekten für die Feuerhalle in Linz be¬ 
schäftigt. Leider waren nicht genügend Mittel vorhanden, um den Bau rasch in Angriff nehmen zu 
können. Nach und nach entstanden erst die Anlagen des Urnenhaines, mehrere Urnenmale, Einfahrts¬ 
tor und Pförtnerhaus. Nunmehr sollte im Jahre 1928 endlich mit dem Bau der Feuerhalle selbst be¬ 
gonnen werden. Der Meister sollte die Fertigstellung seines Lieblingswerkes nicht mehr erleben. Die 
rastlose aufreibende Tätigkeit der letzten Jahre, das ständige Hin- und Herreisen zwischen Linz und 
Graz brachte ein altes Leiden bei ihm zum Ausbruch, welches nicht zuletzt durch seine Kriegsver¬ 
letzung verschlimmert worden war. Ende Juni 1928 begab er sich zu einer scheinbar harmlosen 
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