Volltext: Das Passauer Stadtrecht

  
  
Über die Lage des Passauer Schraiatplatzes läßt sich nur 
für die spätere Zeit volle Sicherheit gewinnen. Ursprünglich befand 
er sich vermutlich an der alten Gerichtsstätte, die auch hier wie 
anderswo als offene Schranne auf einem öffentlichen Plage, wohl dem 
Markte östlich des Domes, lag. Nach der endgültigen Verlegung der 
Gerichtsverhandlungen, die in älterer Zeit bei ungünstiger Witterung 
gewiß auch in dem Hause des Stadtrichters stattfanden, unter Dach 
wechselte zweifellos die Schraiat ihre Lage und befand sich später vor 
dem Rathause südlich des Fischmarktes, als welches 1322 das dortige 
Privathaus des angesehenen Geschlechtes der Haller eingerichtet wurde‘). 
Daß die Gerichtsschranne übrigens schon viel früher an den Fischmarkt 
verlegt wurde, erhellt aus einer Urkunde vom 29. Dezember 1284 (H. StA. 
M., Ger. Urk. fasc. 3), laut welcher auf einem „Hause an dem Visch- 
markt gegenüber der Schrann“ ein Ewiggeld errichtet wurde. Tat- 
sächlich wird bereits in einer Urkunde aus der Mitte des 12. Jahrhunderts 
(MB. 29b, 307) und ebenso vom J. 1209 (MB. 28b, 283) eine „Schraitkazze“ 
oder „Schraiatgazze“ bezeugt, die zweifellos identisch ist mit der spä- 
teren Schraitgazze?). Deren Lage tällt mit der heutigen Schrottgasse zu- 
sammen, wie sich aus mehreren Urkunden des Passauer Stadtarchives®), 
besonders aus einer von 1303 über Heinrich des Hallers „Haus und Turn 
in der Schraitgozzen zu nidrist an dem Eck“ und jener vom 17. Mai 1397%) 
mit dem Vermerk: „ze Passaw in der Statt am Vischmarkcht ze nidrist 
in der Schraitgazzen“ unzweideutig ergibt. Man wird deshalb schon 
vor dem 13. Jahrhundert die Schraiat an ihre spätere Stätte verlegt 
haben. An der Schrottgasse also, die früher wohl auch Schrauttgasse®) 
neben Schraitgazze, Schraiatgazze hieß, vor dem offenen Fischmarkt 
müssen wir uns nach allem die Lage des Schraiatplatzes des StR. von 
1299 denken. In dessen Nähe befand sich ja auch ein städtisches 
Gefängnis (S. Erl. zu art. 52). 
Betrefis der Überführung des Beklagten mittels zweier Augen- 
bezw. Ohrenzeugen stimmt unser Artikel mit dem StR. von 1225 art. 22 
überein. Seit der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. vom Jahre 
1532 wurde in Deutschland der Schuldbeweis durch zwei Augenzeugen 
oder Selbstbekenntnis („Urgicht“) die notwendige Grundlage jeder 
Verurteilung; vgl. auch die Einleitung S. 10, bes. Anm. 2. 
= 1) Vgl. Erhard I 104, 117 f.; 111497. 
?) Als „Schrätgasse“ kommentiert die Schraiatgazze der Urk. von 1209 ein 
Abschreiber von ca. 1720 in dem Literale Nr. 3!/» p. 291 des Bayer. HStA. M., 
Hochstift Passau. 
35) So Nr. 20 vom 1. Mai 1322, Nr. 52 vom 6. Februar 1356, Nr. 55 vom 
22, Juni 1357, Nr. 60 vom 15. September 1359, Nr. 61 vom 6. Dezember 1359, 
Nr. 64 vom 3. Juni 1361, Nr. 70 vom 9.. Oktober 1367. 
4) Abgedr., bei Erhard, II, 153. 
5) schrautt für schraiat ist belegt im Cgm 6, fol. 221 nach Schmeller-From- 
mann II, 593. 
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