Volltext: Das Passauer Stadtrecht

Art. 11. 
Strafe für verbotene Worte. 
„Uf swen man verbotniu wart chlagt und mit zwain bringet, der 
sol dem Rihtaer ein phunt geben und des chlagaers huld gewinnen; 
hat er sin niht ze pezzaern, So sol man in bei der schraiat an slahen“. 
chlagen uf: s. art. 7; wart: worte; bringen: erbringen, beweisen; sin: Gen. v. 
ez, abhängig von niht: hat er nicht um davon (damit) zu pezzaern; 
pezzaern = bezzern: verbessern, vergüten, zahlen; schraiat f.!): Vorrichtung 
oder Ort, an welchem körperliche Züchtigung oder auch Ehrenstrafen der Ver- 
urteilten vollzogen zu werden pflegten. 
Die Ehrenkränkung durch Worte (Verbalinjurie) ist bereits 
in den alten Volksrechten?) mit schweren Strafen, meist Geldbußen, 
belegt. Vielfach sind dort wie in späteren Quellen des Mittelalters 
die einzelnen Scheltworte kasuistisch angeführt und nach ihrer Schwere 
abgestuft, wobei der Vorwurf unehrlicher Missetaten, unehelicher Geburt, 
grober Unzucht, der Feigheit und Lüge, der Zauberei besonders schwer 
wiegt. Auch der Stand des Beleidigten, die Absicht zu kränken, der Ort 
der Begehung (Offentlichkeit), das Moment der falschen Anklage spielte 
eine Rolle. Die Strafen, früher meist Geldbußen, waren, falls der 
zulässige Wahrheitsbeweis versagte, später äußerst vielgestaltig: der 
Beklagte büßte in schweren Fällen mit Haut und Haar und mitunter 
sogar mit Leib und Leben, mit Kerkerhait®), bei falscher Anschuldigung 
nach dem Talionsprinzip, meistens aber in Geld. Daneben begegnen 
vielfach Ehrenstrafen, wie Tragen des Pagsteines (Lastersteines), Pranger- 
stehen und Einspannen von Händen und Füßen in die hölzerne Geige, 
ferner öffentlicher Widerruf und Abbitte*). Die Verschiedenheit der 
Auffassung über die Schwere der Kränkung des Nächsten mit Worten 
hat in folgenden Sprichwörtern Ausdruck gefunden: „Worte schlagen 
einem kein Loch in den Kopf“, „Mit einem Worte geht es an die 
Pfennige, mit Werken aber an die Hand“ (bezw. „an den Hals“); 
umgekehrt: „Wörter sind auch Schwerter“; vgl. Winkler 5. 132. 
1) Das Wort schraiat, ahd. screiäta (Schade, Althd. Wb.) wird abgeleitet von 
scrian, schreien — vgl. die Nebenform schray — als „Schreiplag“ (wegen des 
Infamierens, des Ausrufens der Strafe durch den schreiarius, Schreier — Schergen 
oder wegen der Wehrufe der Gezüchtigten) oder von Schrage(n), Gerüst (bei 
Zöpil, Rechtsaltert. I, 59), was jedoch sprachlich kaum möglich ist. 
2) Lex Salica, tit. 30 (De conviciis), 64; Brunner, D. RG. II, 671 f. 
3) So nach der baierischen Hofordnung von Vilshofen v. 1293 (Qu. u. Er. VI, 14). 
4) Vgl. Osenbrüggen, Das alamann. Strafrecht, 1860, S. 105 if.; Wilda, Straf- 
recht der Germanen, 1842, S. 775 {f.; v. Schwerin, D. RG. S. 173 nebst Lit. Über 
Scheltworte bes. Grimm, RA. II, 204 f.; betr. der Abbitte vgl. oben S.66. Der 
Lasterstein für die „bösen Weiber, die ihn tragen sollen von einem Tor zum 
andern“, ist auch bezeugt in den Marktfreiheiten von Hauzenberg und Perles- 
reuth (15. Jh.) ; vgl. Verh. d. hist. Ver. für Niederb. 57. Bd. (1924), S. 51, Anm. 1. 
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