Volltext: Das Passauer Stadtrecht

  
  
Forderungen. Vor allem steht dem klagenden Gesinde öfters das 
beachtenswerte Vorrecht zu, durch einfachen Eid seinen Anspruch zu 
erhärten, ganz im Gegensaß zum sonstigen Rechtsverfahren, wo regel- 
mäßig der schlicht Beklagte dem Eide näher war!). Wegen ihres be- 
sonderen sozialen Charakters, des offenkundigen, unleugbaren Vertrags- 
verhältnisses, des göttlichen Gebotes?) genießt die Lidlonschuld in 
manchen Quellen sogar das Recht auf außerprozessuale Pfändung durch 
den Gläubiger3). Nicht so rigoros freilich, aber immerhin nachdrücklich 
vertreten auch die österreichisch-baierischen Rechte die Interessen der 
arbeitnehmenden Dienstboten und Handwerker und verlangen, daß 
diese ungesäumt in den Besig des mit ihrem Schweiße verdienten Lohnes 
gelangen. Deshalb verweigern sie bei der Einklagung einer Lohn- 
forderung dem verurteilten Schuldner, im Gegensag zum Verfahren im 
Prozesse um sonstige Schuld, vielfach jede weitere Zahlungsfrist und 
erlauben sofortige Exekution*). 
Noch weiter geht das Passauer Recht, das den Standpunkt vertritt, 
daß man den Arbeitslohn, sobald er verdient ist, zu zahlen habe, ohne 
es zu Klage und Urteil darüber kommen zu lassen; widrigenfalls ver- 
wirkt man Strafe. Durch diese klug vorbeugende Bestimmung sollten 
Prozesse vermieden und die Arbeitgeber von vornherein zu prompter 
Zahlung angehalten werden. Ähnlich wie der Passauer Artikel verfügt 
das Rechtsbuch Rupr. v. Freis.5); ferner das StR. von Wiener-Neustadt 
und das Wiener Stadtrechtsb. a. a. 0. Wie leßteres stellt auch das 
Kl. Kaiserrecht II, c. 31 den Zahlungsverzug betrefis des Lohnverdienstes 
dem hinsichtlich des Hofzinses gleich und warnt: „gebet den luten iren 
taglon, e in der keiser zehenfeltig mache!“ In Passau soll man dem 
Kläger, „zwispil geben“, d. h. doppelten Lohn, ebenso wie dies ein 
friesisches Sprichwort verlangt®). Es ist dies die Umkehrung der Auf- 
fassung des Ssp. II, 32 $ 3: der mutwillig aus dem Dienste getretene 
Knecht soll dem Herrn wiederumb als viel geben, als ihm der Herr 
Lohn gelobt hatte, und was ihm auf den Dienst vergolten ist, das soll 
ı) Koennecke, a. a. O0. 5. 594 £. 
2) 3. Buch Mosis, c. 19, 13 („Non morabitur opus mercenarii apud te usque 
mane“), worauf z. B. das StR. von Wiener-Neustadt, c. 53 hinweist. 
3) Planig, Vermögensvollstreckung 322 {f. 
4) So z.B. das StR. von München 1340, art. 284: „Swer ... umb garnetz lon 
oder umb ezzen oder um trinchen ... wirt bechlagt, der sol wern des selben 
tages“; von Freising 1359 (v, Freyberg, V, 226); von St. Pölten art. 7; Regens- 
burger Statuten (v. Freyberg, V, 31). - 
5) c. 233: „Swer ehalten dingt, es sei diern oder chnecht, ze walen oder ze 
jaren, swaz er in gelopt, daz muos er im geben, und last er sich darum bechlagen, 
so verleust er di fraevel gen dem richter, daz sint 72 pfenning“; also die gleiche 
richterliche Versäumnisbuße wie in Passau. 
6) „Gebet den Leuten ihren Arbeitslohn, ehe ihnen der Richter denselben 
zwiefach zuspricht!“ (Koennecke, a. a. O0. 5. 588.) 
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