Volltext: Das Passauer Stadtrecht

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gegnet nun vereinzelt ein öffentlicher Zwang zur Sühne. In den 
spätmittelalterlichen Stadtrechten ist er fast zur Regel geworden!) 
und begreift private oder amtliche Sühne. 
Ja es kann die einer Versöhnung widerstrebende Partei legten 
Endes vor die Wahl zwischen Sühne oder Klage gestellt werden ?), 
bleibt aber dann an leg6tere ohne besondere Erlaubnis des Richters 
gebunden, sobald die Klage erhoben ist; nur soll einer privaten Rache 
der Weg verlegt werden. Eines der wenigen Beispiele für diese Form, 
Streitigkeiten in der Stadt zu bannen, bietet unser Art. 6. Als amt- 
liche Sühneorgane erscheinen in Passau der Stadtrichter und ihm zur 
Seite der Rat der Stadt, der auch anderswo gerne neben Schöffen 
oder Bürgermeister die Sühne in die Hand nimmt. Es mag für die 
Entwicklung der städtischen Verfassung Passaus wohl beachtet werden, 
daß hier wiederum eine wenigstens halbgerichtliche Funktion des ältesten 
Stadtrates in Erscheinung tritt, die vor allem dem Schuße des städtischen 
Friedens gilt, den Stadtrat also — neben dem Stadtrichter, der zweifel- 
los zur Vertretung seiner und der öffentlichen Interessen beigeordnet 
war — als rechtszuständig in Friedbruchsachen charakterisiert. Das 
Wandel an den Richter, besonders bei schweren Vergehen wurde wohl 
in die Sühne eingeschlossen?), wie dies auch sonst vielfach der Fall war, 
oder eigens vom Richter eingefordert*). Bei Zwang, die Klage durch- 
zuführen, mußte es ja ohnedies entrichtet werden (His, 317 f.). Welche 
Mittel den Passauer behördlichen Organen, die vergeblich in Güte 
Versöhnung versucht hatten, zur Verfügung standen, die Parteien zu 
zwingen, „das Recht zu nehmen“, d. h. in ordentlichem Prozeß Recht zu 
suchen, läßt sich kaum feststellen. In anderen. Rechtsquellen werden als 
solche Gefängnishaft, Haushaft®) oder Einlager, Geldstrafen, Verbannung 
aus der Stadt bis zur Sühnebereitschaft u. a. Maßnahmen verfügt. Die 
Frage, ob der Zwang zur Sühne und überhaupt ihre Zulässigkeit, unter 
Vermeidung des gerichtlichen Prozesses, nicht wie in anderen Städten / 
_ vor gewissen Verbrechen wie Diebstahl, Notzucht, vorsäglichem Totschlag, 
Lähmung, Mordbrennerei usw. Halt machte, ist nach art. 6 offenbar zu 
verneinen. Doch scheint dies nach dem alten Stadtrechte der Fall gewesen 
zu sein, da der dortige Artikel 8 durch die Klausel „praeter®) mortem 
1) Maurer, Städteverf. II, 628; His, 311. 
2) StR. von Enns 1212 (v. Schwind-Dopsch, 45). 
3) S. auch das StR. von 1225, 8 8. 
4) Vgl. das StR. von München 1340, art. 129; das oberbaierische LR. $S 169 
(v. Freyberg IV, 446). 
5) Dieses Zwangsmittel ist bei Unversöhnlichkeit später auch in Passau üblich; 
denn die Erl. des Stadtbriefes 1539 besagt zu art. 6, daß der Stadtrichter den un- 
versöhnlichen Bürger „In Bürgerliche Hanndthabung bringen unnd dardurch 
bezwingen“ soll. Näheres über die Arten der Haushaft: His, 564 f. 
©) So und nicht propter ist die Kürzung pter in der ältesten Kopie des Codex 
Lonsdorf aufzulösen; die falsche Lesart ist aus dem mangelhaften TExie der 
MB. 28b, 310 auch von Gengler, StR. 345 übernommen. 
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