Volltext: Das Passauer Stadtrecht

Staat und die Städte als einzig berechtigte Friedensschüßer auftraten, 
konnte das Recht der privaten Selbsthilfe, der Fehde und Privatrache, 
wenigstens auf die Dauer nicht mehr bestehen. Reichs-, Land- und 
kirchliche Friedensordnungen erklärten dieser besonders seit dem 
12. Jahrhundert den Krieg und suchten sie auf ein Mindestmaß zu 
beschränken. Ihre völlige Beseitigung, allerdings nach hartem Kampfe 
mit der alten Sitte!), brachten erst die Friedensgebote der Städte, die 
wie in So vielem anderen sich auch hier als Bahnbrecher moderner 
Institutionen erwiesen?). Niemand mehr sollte in ihren Mauern ver- 
söhnunglosen Haß gegen den andern tragen und in wilder Fehde sich 
selbst Recht verschaffen dürfen; denn nur so konnte auf engem Raume 
ein geordnetes Zusammenleben aufrecht erhalten werden, konnte 
Handel und. Verkehr, wirtschaftlicher und geistiger Aufschwung zum 
Segen des Ganzen erblühen, während nirgends mehr als in den Städten 
private Eigenhilfe bei innerem Zwist den allgemeinen Ruin bedeutete 
und zur Selbstzerfleischung führen mußte. Schon in den frühesten 
Stadtrechten sind die bezeichneten Bestrebungen auf Ausschaltung der 
Blutrache erkennbar; aber erst seit dem 16. Jahrhundert etwa ist 
diese in den Städten aufgegeben (s. His, 2941). Die Mittel zu ihrer Be- 
seitigung boten die städtischen Ordnungen außer im Verbot des Walfen- 
tragens und den Friedgeboten vor allem in dem Institut der Sühne®), 
der Aussöhnung der feindlichen Parteien ohne Prozeß. Sie konnte als 
private Sühne durch Einigung der Parteien, besonders mit Hilfe von 
Verwandten oder beiderseits‘ angerufenen Schiedsleuten herbeigeführt 
werden oder auch auf amtlichem Wege zustande kommen, wenn 
nämlich‘ die Sühnebedingungen durch geseglich damit betraute Organe 
festgesegt wurden, die entweder von sich aus im Interesse des Frie- 
dens und der öffentlichen Sicherheit oder auf Ersuchen einer oder 
beider Parteien in Tätigkeit traten. Mancherorts genossen solche 
Sühnbehörden geradezu ein Sühnmonopol, wie im Bistum Eichstätt 
die bischöfliche Kanzlei, die seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts 
alle Totschlagssühnen vermittelt*). Schon seit Karl dem Großen be- 
1) Im österreichisch-baierischen Gebiete bestand die Blutrache, in den Quellen 
meist „Haupt- oder Todfeindschaft“, lat. ‚inimicitiae capitales‘ genannt, wie auch 
sonst im 13. Jh. noch in voller Blüte; s. Qu. u. Er. V, S. 61, 240, 299, 323, 417, 445, 
455, 475; VI, 25, 93, 97, 111; Hasenöhrl, LR. 160 f.; Osenbrüggen, Panteidinge 41 f.; 
His, 263 ff. Ein Beispiel für Passau aus dem 12. Jh. bietet eine Urkunde in MB. 29b, 
258, nach der ein gewisser Manegold die Mörder seines Bruders selbst bis in das 
Asyl des Domes verfolgte und dort tötete. Legte Spuren dieses Urstrafrechtes 
leben sogar heute noch im Gebiete des Bayerischen Waldes fort; vgl. hiezu 
L. Gerstlauer, Rechtsgeschichtliches aus dem Bayerischen Wald, Monatsschrift f. die 
ostbayrischen Grenzmarken, 11. Jahrg. (1922), S. 156. 
2) Vgl. Maurer, Städteverf. I, &$ 94, 97, 110; His, $ 15, S. 263 ff. nebst Lit. 
3) Vgl. His, $ 15 u. 16 nebst Lit. 
4) Rieder, Totschlagssühnen im Hochstifte Eichstätt 1892/3. I. 11. 
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