Volltext: Das Passauer Stadtrecht

und dinglichen Freiheit des Bürgers bei einem Delikt, das noch nicht 
als vollendete todeswürdige Missetat angesprochen werden kann‘). 
Bloßen Inwohnern und Gästen konnte natürlich eine solche Vergün- 
stigung nicht gewährt werden, da sie in Ermangelung städtischen 
Grundbesiges, den ihnen die Stadtrechte meistens verboten, bei Ver- 
gehen von vornherein als fluchtverdächtig gelten mußten und das 
Gericht leicht um seine Anforderungen prellen konnten; daher die viel 
strengeren Bestimmungen für nicht genügend zahlungsfähige Stadtein- 
wohner in anderen Stadtrechten?). 
Es ist aber zugleich ein Rest des alten Erfolgsgrundsaßes 
im mittelalterlichen deutschen Rechte, das wie die frühere Zeit auch 
vielfach noch nur den strafte, dessen Handlung zu einer vollendeten 
Missetat geworden war, ohne Absicht, Versuch oder Fahrlässigkeit 
besonders zu werten?). Derselbe hat sich auch in Passau noch er- 
halten zugunsten angesessener Bürger, wenn bei tödlicher Verwun- 
dung das Gericht gegen den bürgerlichen Verbrecher nicht einschreitet, 
solange der Verwundete noch irgendein Lebenszeichen bekundet, die 
Tötung also noch nicht perfekt geworden ist. Sehr drastisch ist diese 
Auffassung, daß erst mit Eintritt des Todes die Handlung des Schul- 
digen bestimmten strafrechtlichen Charakter annehme, in einem Weis- 
tume von Niederohrendorf und Oberweidling in Österreich aus dem 
16. Jahrhundert ausgesprochen*). Ganz enge mit der Passauer Bestim- 
mung berührt sich das StR. von Jngolstadt 13125), ebenso das StR. 
von Schongau, 14. Jahrh.®). Nach dem Passauer Artikel greift das 
1) Vgl. hiezu art. 3 und bes. 40 nebst Erl. 
2) Wien, StR. 1221, 8 13 (Gengler, StR. 531), 1278a; Wiener-Neustadt, c. 13. 
3) Vgl. das Rechtssprichwort „Die Tat tötet den Mann“; Graf und Dietherr, 
Deutsche Rechtssprichwörter?. 1869, S. 297 f. 
4) Österreich. Weistümer der Wiener Akad. d. W., Bd. 8, S. 878: „solange 
der verwundete Mann eine Feder mit dem Atem seines Mundes bewegen kann, 
soll der Schuldige des Richters Huld mit 6sh 2 & erlangen.“ 
5) Qu. u. Er. VI, 206, 17: „Swer einen wundet, hat er, der den schaten tut, 
hauz unde hof ze Ingolstat, man sol in niht vahen, diweil der wunde lebt, noch 
dehein sein gut nemen. Stirbet aber der wunde, so sol sich unser rihter under- 
ziehen sines libes und sines gutes, uns ze behalten.“ 
6) Haeutle, 68: „Kriegt ain purger mit dem andern u. schlecht in auf den 
tod, das ainer spricht: „er ist tod“, der ander spricht: „er ist nit tod“, die weil 
man das leben an dem enpfindt, so mag der, der in geschlagen hat, sein gut ziehen 
u. tragen, wa er wil, u. wer im des hilft, der tut das im selber on schaden; da 
sol in weder herr noch vogt noch niemand von iren wegen dar an irren. Stirbet 
aber der ain u. kumpt diser hin (= davon), so under windet sich der vogt des 
sein guts. wirt aber diser gevangen, so gehort ain par gen der andern“ (=Bahre 
gegen Bahre); vgl. auch das StR. von Wiener-Neustadt, c. 13; den Freiheitsbrief 
Ludwigs IV. von 1331 bei Gengler, StR. 416 f., das StR. von München 1340, art. 291; 
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