Volltext: Das Passauer Stadtrecht

Es war dann die Lage des eines todeswürdigen Verbrechens 
Bezichteten, troß dessen begünstigter Stellung im Beweise, durchaus 
nicht beneidenswert. Denn es konnte der sich freiwillig stellende 
Angeschuldigte in Passau nicht etwa wie vielfach anderswo!) mit Ein- 
handseid der Klage sich entledigen; auch durfte er sich seine Eidhelfer 
nicht etwa frei aus seiner Verwandtschaft wählen, sondern der Stadt- 
richter bestimmte, wenn auch nach unparteiischem Verfahren, 20 ehr- 
bare Männer, aus deren Kreise bei Tagvergehen sieben, bei nächtlichen 
Missetaten drei sogenannte „Genannte“ zur Eidhilfe erforderlich waren. ?) 
Versagte der Angeschuldigte aber beim Reinigungsversuch, so waren 
Vermögen und Person des Bezichteten der entsprechenden Strafe ver- 
fallen. Wohl hatte der makellose, ehrbare Mann einen kräftigen Schuß 
gegen falsche Bezichtigung in der Bestimmung, daß der unterlegene 
Bezichter nach Talionsprinzip die gleiche Strafe erleiden solle, die er 
dem andern zugedacht?). Andrerseits bestand aber wohl auch hier 
wie sonst in Baiern und Österreich damals das offizielle Rügever- 
fahren, auch „stille Frage“ genannt, das eine erleichterte Überführung 
des schwer Verdächtigten vorsah, die vor allem schon einmal Bezich- 
tigte oder überhaupt Übelbeleumundete unschwer ins Verderben ziehen 
konnte*). Das Bahrgerichtsverfahren, das als gegen des Tot- 
schlags Verdächtige üblich nach den städtischen Rechtsquellen erst seit 
dem 14. Jahrhundert bezeugt ist5), ist jedenfalls für jene Zeit in Passau 
1) Vgl. das StR. von Wiener-Neustadt, c. 4 und die dort von Würth an- 
geführten ähnlichen Belegstellen; ebenso Tomaschek, 145 f.; Knapp, Alt-Regens- 
burg 81, 93 £f., 215, wo bei Inzichtverfahren Einhandseid neben dem Eid mit elf 
Helfern vorkommt. 
2) „Quicumque pro homicidio sive pro vulneribus ab eo factis impetitur et 
ille impetitus se super hoc postulat ad expurgacionem admitti, huic judex XX 
viros denominabit ydoneos sine utriusque partis insidiis, et si ex his XX sibi 
denominatis VII tantum obtinere poterit ad perhibendum sue innocentie testi- 
monium, sub prestito iuramento ipse innocens iudicabitur et immunis; ... si ille 
excessus ... est nocte commissus, testimonio tantum trium ... indigebit“ (StR. 
von 1225, art. 20); eine ähnliche Differenzierung der Zahl der Eidhelfer für Tag- 
und Nachtvergehen findet sich im StR. von Schongau (Haeutle, 70); von München 
1294, 8 25 u. 26 (Qu. u. Er. VI, 50 f.); von Enns 1212 (v. Schwind-Dopsch, 44). 
3) „Vice illius, de quo movit querimoniam, treugas civitatis statuimus ut debeat 
emendare (StR. von 1225, art. 11); ebenso verfügte auch der Reichslandiriede von 
1224, die sog. Treuga Henrici, $13 (Altmann-Bernheim, S. 239) und auf demselben 
Standpunkte stehen vielfach die baierischen Rechte (Knapp, 392 u. 429). 
4) Vgl. über das Verfahren gegen schädliche und „verleunte“ Leute bes. 
Knapp, 237 f., 241 f. nebst dortiger Lit. Allerdings findet das Übersiebnen nur 
gegen Nichtbürger uud kaum gegen Totschläger- Anwendung (vgl. Hirsch, Die 
hohe Gerichtsbarkeit, S. 40, 93). _ 
5) Maurer, Städteverf. III, 658 f.; Grimm, RA. II, 593 f.; bes. Karl Lehmann, Das 
Bahrgericht (Germanist. Abhandlungen f. K. v. Maurer. Göttingen 1893, S. 21—45), 
Wo als erste Belege aus deutschen Rechtsquellen Rupr. v. Freis. vom J. 1328 (c. 272) 
und das StR. von Memmingen vom J. 1396 (c. 5) angeführt werden; dichterische 
Quellen wie das Nibelungenlied (Der Nibelunge Nöt, 984 f.), Iwein, 1355 f. führen 
bis ins 12. Jh. zurück. 
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