Volltext: Das Passauer Stadtrecht

  
  
  
  
  
  
  
Über die weitgehende Unantastbarkeit der persönlichen 
Freiheit des angesessenen Bürgers vgl. art. 40 dieses Stadtrechtes 
und die dortigen Erläuterungen. Sie kann nur bei offenkundigen Ver- 
brechen und handhafter Tat verwirkt werden. Anders verhält es sich 
mit dem Vermögen des Bürgers, besonders wenn Schwere Verfeh- 
Jungen wie Totschlag in Frage stehen, ein Beweis, wie stark das fis- 
kalische Interesse das mittelalterliche Prozeßverfahren beherrscht; hier 
bedeutete es eben eine empfindliche Schädigung des Gerichtes bzw. 
des Richters, wenn der Angeschuldigte sein Vermögen in Sicherheit 
brachte. Durch sofortige Bestandaufnahme des städtischen Eigentums 
des bezichteten angesessenen Bürgers konnte diesem die Möglichkeit 
genommen werden, durch Veräußerungen oder andere Manipulationen!) 
den späteren gerichtlichen Zugriff in sein Vermögen im Falle seiner 
Verurteilung abzuwehren. Das StR. von Wiener-Neustadt, c. 67 be- 
Schreibt diese gerichtliche Vermögenssicherung also: „judex assumptis 
illius vicinis melioribus res ejus videat et recludat, sic tamen, ut ex 
eis nihil penitus distrahatur nec per Ssuos homines nec praecones. 
Uxori autem et pueris vestes et victualia dimittantur; cetera inscri- 
buntur“. Das StR. von Landau 1304 (Haeutle, 230) bestimmt, daß bei 
Bürgschaftsleistung bürgerlicher Totschläger deren „guet bei einander 
bleiben sol“, bis die Tat zur Aburteilung gelangt ist. Völlig unan- 
getastet bleibt das Gut des zum Rechte sich erbietenden Totschlägers 
nach der Ottonischen Handfeste, $ 2 (Qu. u. Er. VI, 184). Von einer 
unmittelbaren Konfiszierung des Vermögens wird bei Inzicht, zumal 
gegenüber dem freiwillig sich stellenden Bürger, auch in Passau ab- 
gesehen?). Es erwuchs aber dem Bürger die Auflage bei Jnzicht, So- 
bald jemand zum Beweise, daß er in redlicher Überzeugung die Beschul- 
digung erhebe, den Voreid oder das juramentum calumniae geschworen, 
sich vor Gericht zu stellen und sich durch einen Reinigungseid frei- 
zuschwören, wie ja bereits das StR. von 1225, art. 17 verfügte®). 
1) Daß solche bei der Vermögensbeschreibung unterblieben, dafür sollte die 
Anwesenheit des Stadtrichters eine Garantie sein. Der 64. bischöfliche Klag- 
artikel des Laudum Bavaricum, f. 52a zeigt, daß der Stadtrat im Interesse der 
städtischen Bürger — wohl auch um im Trüben zu fischen — sich während 
der Regierung des Prinzen Ernst von Baiern „unterstand mit der fluchtigen aus- 
getretten Burger guet ausser des Richters allein zuhanndeln“; aber er mußte 
sich schließlich damit einverstanden erklären, nach der Vorschrift des Wern- 
hardischen Stadtrechtes nur zwei Mitglieder des Rates zur Beschreibung des 
städtischen Vermögens des verklagten Bürgers zu entsenden und die Anwesen- 
heit des Stadtrichters bei der Bestandaufnahme zu dulden. 
2) So bestimmte schon die Tagung der Landstände in der Ilzstadt 1256 
(MB. 28b, 511): „si aliquis delatus fuerit judici propter aliquam infamiam, non 
auferet sibi propter hoc res suas, sed faciet de ipso equum judicium.“ 
3) „Statuimus, ut de qualibet impulsacione, quod vulgaliter dicitur inciht per 
jusiurandum quilibet se debeat expurgare.“ 
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