Volltext: Das Passauer Stadtrecht

  
  
  
  
  
  
  
  
Stelle des strengen Rechtes. Wenn auch nach unserem Art. 1 nur die 
Berücksichtigung der persönlichen Verfehlung („dar nah und sein schuld 
ist“) statthaben soll, die vor allem das Alter des Verbrechers, vorsägliche 
Handlung, das Maß der Roheit der Tat selbst, die alleinige Täterschalt, 
nicht völlige Gewißheit der Schuldirage und andere mildernde Umstände 
einbezieht, so spielten doch auch gewiß noch andere Gesichtspunkte eine 
wichtige Rolle. Besonders mögen das reuige, freiwillige Geständnis 
des Verurteilten, wertvolle persönliche Eigenschaften, namentlich deren 
Nußen für die Stadtgemeinde bei besonderer Kunstfertigkeit, Erreichung 
eines Asyls, einflußreiche Verwandtschaft oder sonstige mächtige 
Fürsprache, welche oft schon vor der Urteilsfällung wirksam waren 
(Beyerle, a. a. O. 17), ferner die eigene Gnadenbitte des Missetäters, 
der vielfach Rechnung getragen wurde, Rücksicht auf die Familie des 
Verurteilten, die den Ernährer verlieren sollte, überhaupt menschliche 
und christliche Gedanken der Barmherzigkeit, zu denen vor allem 
wieder weltliche und kirchliche Festgelegenheiten, wie Einritt des 
Fürsten in die Stadt, anregten, schließlich auch das finanzielle Interesse 
des Stadtrichters, dem im Falle der Hinrichtung die Gerichtssportel 
entging‘!), bei der Begnadigung des Verurteilten entscheidend in Betracht 
gekommen sein. Diese selbst war in unserer Epoche vielfach nicht 
mehr wie regelmäßig früher an die Zustimmung des Verlegten gebunden 
und wurde allmählich zu einem ausschließlichen Rechte des Landes- 
bzw. Stadtherrn. Legßterer wieder mochte dann die Vorbereitung des 
Begnadigungsverfahrens einem besonderen Ausschusse überlassen. Das 
trifft auch für die Passauer Gerichtsbarkeit zu. Schon nach dem Art. 6 
des StR. von 1225 ist eine solche Kommission, aus acht Personen 
bestehend, für die Begnadigung des bürgerlichen Ächters vorgesehen?). 
Dieser Ächterausschuß erscheint genau in der gleichen Zusammenseß ung 
für Gnadensachen auch in unserem Art. 1 des StR. von 1299; auf seinen 
Vorschlag hin entschied dann endgültig als Stadt- und oberster Gerichts- 
‚herr der Fürstbischof. 
Auch im Falle der Begnadigung durch den obersten Gerichtsherrn 
wird die öffentliche Geldstrafe, die zur Halslösung festgesegt war, nicht 
erlassen, zumal der Stadtrichter, welcher sein Amt gegen Pacht- bezw. 
1) S. art. 2 des StR. von 1299, 
2) „Si quis burgensium pro homicidio vel pro alia aliqua insolentia pro- 
scriptus fuerit, eidem hoc indulgemus, quod duo ex canonicis, duo ex ministerialibus, 
quatuor ex burgensibus, ne forte plus equo ipsi graves esse videamur vel credamur, 
secundum ipsorum consilium infra unius anni spacium ipsum nostre gratie possint 
et debeant reformare.“ Ein gemischter Schiedsgerichtshof, wie hier, zusammen- 
geseßt aus den bedeutendsten Bevölkerungsklassen der Stadt, begegnet auch 
sonst in den Stadtrechten und wird namentlich dann gerne eingesebt, wenn ein 
Delikt über die Grenzen einer ständischen Schicht in die Sphäre einer anderen 
eingegriffen hat, 
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