Volltext: Das Passauer Stadtrecht

im Kontumazialverfahren die Acht oder das Stadtverbot verhängt‘). 
Aber es konnte zwischen dem geflüchteten Täter und den Verwandten 
des Getöteten, da ja in Passau nach dem neuen Stadtrechte die Tot- 
schlagsühne nicht verboten war, sondern sogar gewünscht wurde 
(s. art. 6 des StR. von 1299), ein Sühnevertrag zustandekommen, 
gewissermaßen ein Gnadenakt der Familie des Erschlagenen, auf Grund 
dessen die verlegte Partei überhaupt auf die gerichtliche Klage ver- 
zichtete, so daß nach dem Grundsage: „Wo kein Kläger ist, da soll 
auch kein Richter sein“, gar kein eigentlicher Prozeß stattfand ?). Wohl 
aber mußte dann in Passau trogdem das Wandel an die öffentliche 
Gewalt, den Stadtherrn und seinen Richter, gezahlt werden; denn selbst 
bei geringeren Vergehen, die den städtischen Frieden verlegten, waren — 
auch bei friedlichem Vergleiche mit dem Verlegten — dem Stadtrichter 
5 ® Strafgeld fällig. Da ferner das Mittelalter auch rechtlich den bevor- 
zugten Ständen möglichst entgegenkam®), wird es nur schwer zu einem ı 
Todesurteil etwa über einen Geistlichen oder Edelmann gekommen 
sein, und es ist bezeichnend auch für unsere Frage, wie glimpflich 
noch die baierische Landesordnung von 1508 den adeligen Totschläger, 
der flüchtet, behandelt: peinliche Ahndung steht überhaupt nicht in 
Frage (vgl. hiezu Knapp, 465). Von vornherein bestanden ferner ja 
auch für jeden Sterblichen strafausschließende Bestimmungen, 
so bei Tötung von einbrechenden Dieben, Mordbrennern, auf der Tat 
befundenen Ehebrechern und Notzüchtern, geächteten Missetätern 
(art. 22), im Notwehrzustande (art. 43) usw., wenn auch in diesen Fällen 
die Flucht des Totschlägers vor den Verwandten des Getöteten rätlich 
erscheinen mochte. 
Aber selbst wenn das Gericht den Todesspruch gefällt bzw. die 
Acht verhängt hatte, konnte die Gnade noch das Unheil vom Mörder 
abwenden. Nur musste sich dieser dann, wie bereits das StR. von 1225 
art. 6 verfügt, um Lösung aus der Acht oder dem Stadtbanne bemühen. 
Je nach der Größe und Art der Schuld trat dann die Gnade an die 
1) S. auch art. 22; ferner Tomaschek, 271 £. . 
2) Maurer, Städteverf. III, 627 f.; Frauenstädt, Blutrache und Totschlagsühne. 
Leipzig 1881; His, 296 ff. nebst Lit. Über die Totschlagsühne unter kirchlicher 
Vermittlung im baierischen Recht s. Knapp, 404 f. Derselbe betont in seiner 
Schrift Alt-Regensburg 213 nachdrücklich, daß man in Regensburg bei keinem 
Delikt so sehr darauf bedacht war, den ärgerlichen Handel durch Taidigung aus 
der Welt zu schaffen als gerade bei Tötungsfällen, nicht zum wenigsten auch 
deshalb, um zu Gunsten der gekränkten Freundschaft möglichst hohen Gewinn 
herauszuschlagen. Die Neigung, auch Kriminalfälle unter Ausschaltung des Ge- 
richtes durch private Abfindungen abzumachen, besteht vielfach ja heute noch in 
der baierischen Bevölkerung. ; 
3) Vgl. z. B. Ottonische Handifeste 1311, $ 2 (Qu. u. Er. VI, 184); s. auch 
Wintterlin, Einfluß der Standesverhältnisse des Täters auf die Bestrafung. Tübingen, 
Diss. 1895. 
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