Volltext: Das Passauer Stadtrecht

  
  
  
  
‚Art. 1. 
Verfahren gegen den flüchtigen Verbrecher und sein 
Vermögen bei Totschlag. 
„Wir sin bei dem ersten uberaein chomen mit unsaerm Chor und 
mit unsaern Dienstmann: Und tut ein man hie ze Pazzow einen Tot- 
slag und wirt der selb fluhtik, der den selben totslak hat getan oder 
den man sein zeichet, so sol der Richtaer mit zwain uz dem Rat sich 
underwinden allez sines gutes, daz er hat, Und wirt der selbe schuldig; 
so sol ez sten an zwain Chorherren, An zwain dienstmann, An vier 
Purgaern, daz si uns den gehuldigen, dar nah und sein schuld ist; daz 
schuln si getriwlichen wegen nah ir gwizzen und sol dem Rihtaer des 
selben gutes niht werden nun zehen phunt.“ 
sich underwinden reifl.: in Besig nehmen, beschlagnahmen; sten an: stehen 
bei; gehuldigen: der Gnade empfehlen; dar nah und: je nachdem; wegen: 
abwägen; nun: aus mhd. niuwan, niht wan: non nisi, nur. 
Art. 1—5 betreffen das Verfahren beim Verbrechen des Totschlages 
in folgender Anordnung: a) Verfahren gegen den flüchtigen Verbrecher 
und sein Gut (art. 1). b) Verfügung über das Vermögen des Mörders!) 
im Falle seiner Hinrichtung (art. 2). c) Besonderes Verfahren gegen 
den angesessenen Bürger und sein Vermögen (art. 3 u. 4). d) Das- 
selbe im Falle nur tödlicher Verwundung (art. 5). 
Bereits im Passauer StR. von 1225 sind mehrere Bestimmungen 
über das homicidium enthalten, so in art. 5, 6, 8, 32 u. 34; Ergänzungen 
bzw. Abänderungen brachte das neue Stadtrecht von 1299. So werden 
im Artikel 1 die Normen des Verfahrens gegen den flüchtig gewordenen 
Mörder festgelegt?). Noch mehr als heute war früher für den Ver- 
brecher Anlaß gegeben, aus dem Gerichtsbezirke, dem Orte der Tat, 
zu entkommen. Denn eine Auslieferung an das forum delicti commissi 
(Tatort) war dem Mittelalter unbekannt?). Außerdem hatte der Misse- 
täter bei dem noch überall lebendigen Rachebedürfnis der Sippe, der 
in erster Linie die rechtliche Verfolgung der Freveltat oblag, allen 
Grund, an einen sicheren Ort zu entfliehen, da er von hier leichter 
mit dem Gegner verhandeln konnte, sobald dessen erster Zorn ver- 
raucht war, den oft selbst der Richter nicht zu zügeln vermochte. Vor 
1) Das Wort wird im folgenden nicht im mittelalterlich speziellen Sinne des 
heimlichen, verächtlichen Mörders, sondern allgemein für Totschläger gebraucht, 
zumal Mord und Totschlag im 13. Jahrhundert noch nicht so scharf geschieden 
waren und strafrechtlich vielfach gleich behandelt wurden; s. auch Knapp, 230; 
ders. Alt-Regensburg, 216; Hirsch, Die hohe Gerichtsbarkeit, S. 41 f. 
?) Vgl. hiezu die ausführlichen Bestimmungen über den homicida profugus 
in den StR. von Enns 1212 (v. Schwind-Dopsch, S. 43), von Wien 1221 (Gengler, 
StR. 331), 1278a, 1340 und von Wiener-Neustadt c. 67. 
3) Schröder-v. Künßberg, 607 nebst Lit. 
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