Volltext: Das Passauer Stadtrecht

  
  
  
  
  
  
  
Der seit Beginn des 12. Jahrhunderts für Richterbeamte auch in den 
geistlichen Städten urkundlich hervortretende Titel „iudex civitatis“ 
bringt den Wechsel der Verhältnisse deutlich zum Ausdruck, sei es 
nun, daß sein Träger, im Gegensaß zum adeligen Stiftsvogte bisher 
nur mit der Zivil- uud niederen Kriminalgerichtsbarkeit ausgestattet, 
nunmehr durch die bischöfliche Rechtspolitik unter Zurückdrängung des 
höheren Vogtrichters fortwährend an Macht gewinnt oder, weniger 
wahrscheinlich, daß das Amt des iudex damals überhaupt erst neu 
geschaffen wurde und höhere wie niedere Stadtgerichtsbarkeit um- 
fassend die Depossedierung der städtischen Gerichtsvogtei bewirkt. 
Mit der Mitte des 12. Jahrhunderts erscheint so auch in Passau statt 
des bischöflichen Vogtes ein städtischer „iudex“. Er ist hier zuerst 
1147 sicher bezeugt!) und als Ministeriale völlig vom Bischofe abhängig. 
Seitdem läßt sich die Liste dieser ersten bischöflichen Richterbeamten 
fast ununterbrochen bis zur Aufhebung der geistlichen Fürstengewalt 
weiter verfolgen ?). 
Zwar fließen die Quellen zur inneren Passauer Stadtgeschichte bis 
in die zweite Hälfte des Mittelalters nur spärlich. Sie fallen in der 
Hauptsache zusammen mit den von den Königen der karolingischen 
und ottonischen Periode an den Bischof als den vornehmsten Grund- 
herrn der Stadt erteilten Immunitätsprivilegien, die überdies an die 
kanzleimäßigen stereotypen Formen gebunden sind. Aber plöglich 
weitet sich unsere Einsicht in die Kultur-, Sitten- und Rechtszustände 
des mittelalterlichen Passau, in die Verhältnisse seiner Bewohner durch 
die beiden urkundlichen Denkmäler, die von den bischöflichen Stadt- 
herren im Einvernehmen mit dem Domkapitel, den Ministerialen und 
Bürgern erlassen, dazu bestimmt waren, die Rechtszustände innerhalb 
der Stadtmauern Passaus für die gegenwärtige und die folgenden 
Generationen festzulegen: die Stadtrechte der Bischöfe Gebhard 
von Playen und Wernhard von Prambach der Jahre 1225 bzw. 1299. 
„Stadtrechte sind Rechte einer vorgerückten Wirtschaftsstufe“?); ihre 
Aufzeichnung ist der Schlußakt und das Endergebnis einer reichen Ent- 
wicklung der Vereinigungen von Menschen in einem wirtschaftlich und 
Sozial von den Dörfern sich abhebenden, gegen das flache Land durch 
Mauerbefestigung geschiedenen, rechtlich und politisch abgeschlossenen 
Verwaltungs- und Gerichtsbezirke und des Zusammenlebens dieser 
Menschen unter besonderer Pflege von Gewerbe, Handel und des durch 
*) Rudiger 1147—1159, MB. 28b 111, 231, 237; UB. o.E. I 562, 565; II 155, 156, 
231, 235; etwa gleichzeitig bezeugen die Urkunden zum letzten Male einen Dom- 
vogt von Passau (MB. III 423; IV 417). Vgl. Riezler, Geschichte Baierns I 870; 
Rietschel, a. a. O0. S. 79. 
°) Vgl. die wenn auch mangelhafte Zusammenstellung bei Erhard II 156 f. 
9) Gg. v. Below, Das ältere deutsche Städtewesen und Bürgertum. Leipzig 
1898. 5. 71. 
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