Volltext: Das Passauer Stadtrecht

Fürsten schon längst erfreuten. Das ganze Stadtgebiet Passaus ist ein 
abgerundetes, selbständiges Rechtsgebiet geworden, ein politischer Be- 
zirk, ausgeschieden aus der bisherigen Verbindung mit dem Rottgau; 
ausschließlich dem Bischofe stehen jegt alle Grafenrechte in dem Passauer 
Stadtfirieden zu. Wohl mußte sich nach strengem Kirchenrechte der 
Stadtherr als Kirchenfürst noch eines weltlichen Exekutors, eines Vogtes, 
in der Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit bedienen, da die Hand- 
habung des Blutbannes als unverträglich mit der geistlichen Würde 
galt und ihr Träger nach dem alten kanonischen Grundsaße: „ecclesia 
non sitit sanguinem“ keine Kriminaljurisdiktion üben, noch sie selbst 
auf einen anderen übertragen durfte; das mag auch in Passau bis um die 
Mitte des 12. Jahrhunderts der Fall gewesen sein, kaum noch lange 
weiterhin; denn wenn auch noch der Schwsp. 92, 115 und der Dsp. 
81, 107 das Verbot der Ausübung und Übertragung des Blutbannes 
durch geistliche Fürsten betonen, hielt man sich schon seit rund 1100 
praktisch immer weniger an die kanonische Bestimmung, so daß sich 
schließlich Papst Bonifaz VIII. (1294—1303) veranlaßt sah, sie aufzu- 
heben!). Die königliche Bannleihe an die unter den geistlichen Stadt- 
herren stehenden Richter, die meist adeligen Stiftsvögte, welche immer 
mehr als unbequeme Last seitens der Bischöfe empfunden wurden, 
entfiel; nachdem diese seit dem 12. Jahrhundert nach dem Vorbilde 
der kraft allgemeinen Privileges vogtireien Zisterzienserklöster die Ge- 
richtsvogtei allmählich beseitigten?), konnten sie in ihren Städten die 
volle Gerichtsbarkeit in eigener Person handhaben oder sie einem 
Beamten übertragen?). Dies war dann meist ein bischöflicher Ministeriale. 
') c. 5. 9 X ne clerici III 50; c. 3 ne Clerici vel monachi, in VIto III 24; vgl. 
auch Schröder-v. Künßberg 619 f., 623; Werminghoff, Gesch. der Kirchenverf. 
Deutschlands im Mittelalter, Leipzig 1905, Bd. I, 229 £.; ders. in Meisters Grundriß 
d. Geschichtswissenschait, Bd. II, 6 (1907), S. 39. Wenn Papst Eugen IV. am 20. Sep- 
tember 1436 denı Passauer Bischofe die Ausübung des Blutbannes durch dessen 
Richter und Beamten gestattet (MB. 31b, 304 f.), so ist das nur als Neubestätigung 
eines alten Rechtes zu beurteilen. 
2) Über die Mittel und Wege hiezu im einzelnen vgl. Rietschel, Burggrafen- 
amt und die hohe Gerichtsbarkeit, S. 310 ff. 
3) Schröder-v. Künßberg 688. Daß auch die Passauer Bischöfe persönlich an 
gewissen Gerichtssitzen Recht sprachen, beweisen die Bestimmungen des Ilzstädter 
Landtages für das Land der Abtei vom 26. Oktober 1256: MB. 28b, 510 f. Aus 
diesem Weistum gewinnt man auch einen guten Einblick in die Bemühungen der 
Bischöfe, die unbequemen Vögte beiseite zu schieben. Die deutschen Könige ver- 
traten auch nach Ausbildung der Landeshoheit immer wieder die Auffassung, daß 
alle Gerichtsbarkeit vom König herstamme (so Reichsspruch vom 19. Febr. 1274 = 
MG. LL. Sectio IV, Bd. 3, S. 28 f.) und betrachteten es als ihr Recht, den Blutbann 
auch innerhalb bereits bestehender Landesherrschaften zu verleihen; betr. Passaus 
s. die Urkunde vom 17. Juni 1235 (MB. 31a, 565), laut welcher Kaiser Friedrich II. 
dem Passauer Bischof Rudiger das ius gladii et securis für seine Richter verlieh,, 
obwohl doch im 13. Jahrhundert die Notwendigkeit der königlichen Bannleihe 
wegfiel (s. auch v. Below, Entstehung d. deutschen Territorien, Wissensch. u. Bil- 
dung, Bd. 198, 1924, S. 34). L. v. Ebengreuth, S. 35, nimmt ohne ersichtlichen Grund 
an, daß dieser Blutbann nur für die Landrichter gelte. 
 
	        
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