Eine verkürzte Fassung der behandelten alten Passauer Notwehr-
bestimmung ist nun art. 43 des StR. von 12991). Die Beweisnormen
des Notwehrrechtes ergeben sich aus den vorausgehenden Er-
läuterungen, vorausgesegt daß inzwischen keine Veränderungen ein-
getreten waren, was bei der Stabilität des mittelalterlichen. Rechtes
(vgl. oben S. 17 £.) kaum anzunehmen ist. Die Notwehrhandlung, recht-
lich erwiesen, hat nach beiden Passauer Verfügungen keinerlei Rechts-
nachteile im Gefolge?). Wenngleich dies nach den sonstigen Rechts-
quellen fast durchweg Regel ist, finden sich doch wie anderswo,
So auch in den österreichisch-baierischen Stadtrechten, zum Teil be-
gründet in dem begreiflichen Mißtrauen gegenüber den beliebten Not-
wehrentschuldigungen, manche Ausnahmen in der Weise, daß entweder
die öffentliche Gewalt nicht völlig auf Strafe verzichtet, da nun ein-
mal durch die Notwehrhandlung die öffentliche Ordnung gestört ist,
oder so, daß !die Buße an die Verlegßten, die man nicht völlig un-
befriedigt lassen. will, nur gemildert wird?). Ja, aus dem Gedanken,
daß das durch die Notwehrhandlung verlegte Recht unbedingt Strafe
verlange, diese aber nicht den schuldlos Angegriffenen treffen könne,
sondern den schuldigen Angreifer, haben einzelne Rechtsquellen legterem
nicht nur das Wandel für den eigenen Angriff sondern auch das für
das Notwehrdelikt des Gegners zudiktiert. Diesen interessanten Stand-
punkt vertritt auch das Passauer StR. art. 44: „es sol der, der die
schuld da hab, dem Rihtaer baidiu wandel geben“*). Ganz ähnlich
werden mit der doppelten Strafe sonst die sogenannten Anlaßdelikte,
d. h. Vergehen, die durch Anreizung eines anderen mit Wort oder Tat
hervorgerufen werden, bestraft, wie z. B. im StR. von Neuötting vom
Jahre 1321°) und fast wörtlich ebenso im Traunsteiner StR. von 1375°).
So liegt die Annahme nahe, daß obige Passauer Strafbestimmung für
Notwehr von Rechtsgedanken beeinflußt ist, welche die sich nahe mit
ihr berührende Anlaßhandlung betreffen. Ob das zweifache Wandel
in Passau auch bei Totschlag gilt, muß nach der Fassung des Art. 44
offen bleiben.
Voraussegung der rechten Notwehr ist nachlart. 43 und 44
die Nötigung mit blanker Waffe („mit blozzer wer“), so daß Leib und
1) Ganz ähnlich im StR. von Burghausen 1307 (Haeutle, 184 f.): „Swelich
Man oder weip sich wert notwer seins Leibes und daz bringen mag, als recht
ist, der schol sein nicht engelten“; von Neuötting 1321 (ders. 26); von Traun-
stein 1375 (v. Westenrieder, Gloss. p. XXIX).
2) „impunitus omnimodis remanebit“ — „er sol sin niht engelten“.
3) Belege bei His, 200 f.; Knapp, 259 f.
4) Vgl. hiezu die fast gleichlautenden Parallelen bei His, 204, Anm. 2.
5) Haeutle, 26: „Wer den anndern bringt Zu einer Unzucht, der Puesse Ir
baider schuldt.“
6) v. Westenrieder, a. a. O.; s. auch His, 212.
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