Volltext: Das Passauer Stadtrecht

  
. Art. 36. 
Schelten und Schlagen fahrenden Volkes ohne Blutvergießen 
ist dem ansässigen Bürger erlaubt. 
„Swer varund volkch, daz gut fur er nimt!), schilt oder sleht, daz 
daz blut niht fur chumt und niht toettet, der ein gesezzner man ist, 
der ist dem Rihtaer niht dar umb schuldich“. 
Mit der zunehmenden Besegung. des anbaufähigen deutschen Landes 
und dem Wachsen der Bevölkerung besonders in den Städten schwoll 
gegen den Ausgang des Mittelalters immer mehr das Heer der Mittel- 
losen an, deren Heimat die Straße war. Ihre Hauptmasse bildeten die 
fahrenden Leute, die vielfach unter den Namen joculatores oder 
„Spielleute“ zusammengefaßt werden und neben umherziehenden Sän- 
gern von Heldengeschichten und Liebesliedern, Musikanten und Tausend- 
künstler aller Art, Possenreißer, Fechter, Seiltänzer- und -tänzerinnen, 
„fahrende Fräulein“ (niedrige Dirnen) und anderes leichtes Volk in sich 
begriffen. Dazu kamen heruntergekommene, fahrende Scholaren, die 
„Vaganten“, Bettelmönche, verdorbene Geistliche, „Loterpfaffen mit 
wallendem Haare“, die stellenlos unter irgendeinem Vorwande bettelnd 
umherzogen, den Wahrsager, Traumdeuter, besonders aber den Arzt, 
Poeten oder Artisten spielten: alles in allem ein bei den niederen 
Klassen gern gesehenes, loses Völkchen, das bei größeren Festen nicht 
entbehrt werden mochte, freilich oft auch zur Stadt- und Landplage 
wurde?).. Mit guten Gründen von der Kirche .als sittlich bedenklich 
oder gefährlich verfolgt®), von der. großen, ständisch organisierten Gesell- 
schaft des Mittelalters als unebenbürtig, weil stand-, heimat- und ehrlos, 
ausgeschlossen, zählten diese fahrenden Leute zu den verachteten 
Personen, die nicht „vollkommen an ihrem Rechte“ waren, für die 
kein Wergeld und keine oder bloß halbe Buße oder gar nur eine zum 
Hohn aufgestellte Scheinbuße, zu entrichten war*?), die als standlos 
!) Die Erl. des Stadtbriefes 1539 zu art. 34 lautet: „welhe gellt und guet für 
Eer achten und nemen“. 
?) Vgl. Grupp, Kulturg. Bd. 5, 1, S. 155 ff.; Maurer, Städteverf. III, 97 f., 104 
und vor allem die treffliche Arbeit von Theodor Hampe, Die fahrenden Leute in 
der deutschen Vergangenheit (Monographien zur deutschen Kulturgeschichte, 
herausgeg. von Georg Steinhausen, 10. Bd.). Leipzig 1902. 
3) Vgl. auch c. 26 der Statuten der St. Pöltener Diözesansynode von 1284, daß 
Scholaren oder herumvagierende Kleriker bei Strafe von 60 3 auf keine Weise 
unterstüßt werden dürfen, außer wenn sie höchstens zu zweien erscheinen und 
nicht unbescheiden oder aufdringlich auftreten; verschärft in der Synode von 
St. Pölten vom 18. März 1294 (Hübner, Passauer Diözesansynoden S. 11 f.), ferner 
die obengenannte Studie von Th. Hampe, S. 21 f., 50 f., 62. 
*) His, 595, 607 f.; Grimm, RA. II, 251 f.; Stobbe-Lehmann, Bd. 1, S. 402.; 
Th. Hampe, a. a. O., S.191.; Otto Beneke, Von unehrlichen Leuten?. Hamburg 1889, 
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