Volltext: Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers 2. Theil [30] (II. Theil / 1932)

Der Mundartdichter auf seinen triebigen Wanderungen. 
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vermittelt zugleich einen Einblick in die vielfach so kritisch-kümmer 
lichen Lebensverhältnisse zur gerechten Würdigung des Zusammen 
hanges der Dinge in dieser seiner bedeutungsvollsten Schaffensperiode. 
Im Zwange der gebotenen Oekonomie die nachfolgende ge 
kürzte Zusammenstellung: 
Enns, 18. September 1842. Liebe Betty! . . . Meine 
Reise geht jetzt wieder viel langsamer, als ich mir vorgenommen. 
In Melk war ich zwar sehr gut und freundlich aufgenommen — 
aber weiter auch nichts, von Melk bis Enns ging ich zu Fuß — 
eine Tagreise ist etwas ganz anderes als ein Spaziergang über 
Feld und Au. von Enns machte ich einen Abstecher nach Maut 
hausen zu einem Jugendfreund, und war nicht allein von ihm, 
sondern — wider mein Erwarten, — von der gesamten Bürger 
schaft mit überraschender Freundlichkeit aufgenommen; dasselbe war 
der Fall in Enns .... Gestern nachts hatten wir hier eine 
besondere Feierlichkeit. Die Stadt Enns beehrte Kalten- 
b r u n n e r, den Du kennst, mit dem Ehrenbürger-Diplom, natürlich 
war meine zufällige Anwesenheit ein gefundener Handel. Ich 
unterhielt mich auch selbst dabei recht gut, aber heute bin ich düster 
und schwermütig aufgestanden — wann und wo wird mir eine 
ähnliche Ehre zuteil werden? — Ach, Betty, schreibe mir ja auf der 
Stelle und recht viel und aufrichtig, daß ich ein vergnügtes Stündlein 
habe und ruhiger werde. Sei gegrüßt samt Deinen Leuten und liebe, 
liebe, liebe Deinen Franz Stelzhamer. 
2/3. Linz, 29. September und 8. und 9. Oktober. . . . Zwei 
Vorlesungen im Theater gehalten . . . Dein Brief hat mich im 
ganzen sehr erfreut und zufriedengestellt, aber dann fand ich doch 
wieder Grund zu meiner alten Klage: Liebe Betty, wenn Du nur 
aufrichtiger und in Deiner Aufrichtigkeit bestimmter und klarer 
wärest! . . . Pflege Dein Tagebuch und schreibe auf das erste 
Blatt als Motto: „Das Blättchen fügt sich fromm und geduldig, 
drum, wer darauf lügt, wird doppelt schuldig". . . . Eine solche 
Sehnsucht befällt mich nach Dir, daß ich mitten im Glücke, mitten 
in Freud und Lust — groß unglücklich bin. 
4. Wels, 17. Oktober Du wirst Dich wundern, 
warum Dein letzter Brief, so viel er sonst des Schonen und Er 
freulichen enthält, mir eine völlig schlaflose Rächt verursacht hat. 
warum? höre ich Dich fragen und sehe sogar Dein erstauntes und 
ängstliches Gesicht — warum? Liebe Betty, es ist — wie ich 
schon oft gesagt habe — nicht anders, als wenn der böse Feind 
mit uns und unserer Liebe ein boshaftes Spiel triebe. Sieh, eben 
als ich den Brief vor dem Einschlafen noch einmal lesen wollte, 
um recht süß zu schlafen und recht angenehm zu träumen, fiel mir 
auf dem Umschlag etwas auf, das mich augenblicklich auf die
	        
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