Volltext: Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers 2. Theil [30] (II. Theil / 1932)

Der Mundartdichter auf seinen triebigen Wanderungen. 
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die Volksweisheit hat unser Dichter auch das rechte wort für 
Unterweisung und Belehrung. Er ist aber kein bäuerlich verkleideter 
Moralprediger, sondern zuerst und vor allem ein Dichter; gerade 
darin zeigt der Dichter die größte Kunst, daß er seine irdische 
Gemeinde fern von Kirche und Kapelle draußen unter offenem 
Himmel mit dem untrüglichen Wahrzeichen der Natur, mit dem 
Echoschalle des Lebens selbst zu wecken und zu begeistern versteht. 
Der Dichter der Charakterbilder war auch zum Epiker berufen — 
,,D' Ahnl" ist der vollendetste Charakter, den die Dorfpoesie 
ausweist, ein Mannweib, mit jedem Zug die Innviertlerin ver 
ratend. Stelzhamers Dichtungen gehören zunächst dem oberöster 
reichischen Bauernstamme aber auch allen Gebildeten an, die mit der 
Sprache und dem Anschauungskreis des Dichters vertraut sind. Sie 
sind eine ruhmvolle Urkunde deutschen Lebens und deutscher heimat- 
liebe." — 
Bei Engl heißt es Seite 38: „Stelzhamer nahm diese seine 
Sprache jederzeit energisch in Schutz, wo immer er der nicht selten 
ausgesprochenen Meinung begegnete, der Dialekt sei nur ein ver 
dorbenes hochdeutsch. In dieser Richtung sprach er sich noch vor 
zwei Jahren in folgender weise aus: „Die Volkssprache und die 
Schriftsprache verhalten sich zusammen, wie der lieblich und lustig 
blühende Frühlingsstrauß zum ernst gesenkten und fruchtbaren Herbst 
baume. Die Sprache meiner Lieder, der österreichisch-baye 
rische Dialekt, ist so alt unverfälscht, wie der bojobarische 
volksstamm und reicht demnach weit in die Zeit des Nibelungen- 
Liedes (U90—x210), der vorzüglichsten Schöpfung der deutschen, 
volksmäßig höfischen Kunstepik zurück, was aus häufigen Worten 
und Wortfügungen bewiesen werden kann. Zu bedauern ist, daß bei 
der größten Geistestat der Deutschen jene Herren, welche die allge 
meine schriftdeutsche Grammatik geschaffen, nicht tiefer herabge 
gangen sind zu unseren süddeutschen Mundarten, um dieses aller- 
Aostbarste Gut noch kostbarer, reicher und gestaltungsmäßiger zu 
machen. Dies ist auch der Grund, daß sich gerade zu unserer Zeit die 
Dialekte so lebhaft regen und mutig emporbäumen. Nun aber ist 
diese Erscheinung nicht ganz so neu. Schon Walter von der vogel 
weide (N60— \2o0) f der trefflichste und vielseitigste aller Minne 
sänger in der Blüte der lyrischen Poesie, klagte, daß die „bäurische" 
Poesie schier die höfische Dichtkunst zu überwuchern drohe. Deß- 
ungeachtet muß man genannten Herren den größten Dank zollen, für 
das einigende Band,' das sie durch ihre Grammatik um die ge 
samte deutsche Nation geschlungen haben und es ist nur zu wün 
schen," schloß er mit nachdrücklicher scharfer Betonung, — „daß des 
einigenden Bandes noch viel stärkere Hälfte, der gleiche Katechismus
	        
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