Volltext: Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers 2. Theil [30] (II. Theil / 1932)

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Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers» 
in der Nähe des Areuzweges — er konnte seinen Gedanken nicht fertig 
machen, da — kam auch das Zweit auf ihn zu, zwar nicht so ungestüm 
und fürchterlich wie das Erste, aber immer noch fürchterlich genug. — 
Lyriak bekreuzte sich wieder wie vor dem Ersten, weil es so gut getan und 
lispelte auch wieder: „Alle gut —" dann mußte er horchen — „en Geister 
loben Gott den Herrn!" ergänzte das auf ihn Loskommende. 
Jetzt fiel es Lyriak wie Schuppen vor den Augen und eine ganze 
Zentnerlast löste sich ab von seinem Kerzen. 
„trtii — ITlii — XTtii — Mündell" preßte er heraus — „Ly — Ly — 
Ly — Lyriak!" stotterte es entgegen. Dann strappelten Hände gegen 
einander, und was sie halten tun wollen, tat jetzt mit lautem Freuden 
gebell der Hund — er machte einen Kreis um sie, in den sich gewiß kein 
Tod und kein Teufel hätte hineinwagen dürfen. Mährend die Beiden, 
um sich ihrer unverletzten Körperlichkeit zu vergewissern, noch aneinander 
Herumtastelen, erscholl von fernher das Zeichen zur heiligen Mette. — 
Ueber den Wipfeln des Hausrucks ward es zu gleicher Zeit hell und 
glänzend, als müßte die himmlische Erscheinung des Lhristkindleins 
sichtbar werden. Aber es war nur der aufgehende Mond. Doch wie es 
auch nur der Mond war, so erröteten die beiden Frevler vor seinem 
Schein und schämten sich innig einer vor des andern Anblick. „Du wirst 
mich jetzt wohl aus deinem Dienst stoßen wollen?" fragte ganz kleinlaut 
der junge Knecht; und ebenso kleinlaut und beschämt antwortete der Bauer: 
„Nicht doch, aber du wirst nun nimmer bei mir bleiben mögen?" 
Hier wagten sie das erstemal einander wieder anzublicken, zum 
Zeichen, daß sie die Alten bleiben und einander verzeihen wollen. Darauf 
schritten sie schweigend und instinktmäßig dem Schalle der Glocke ent 
gegen. wie sie eben die Straße unfern der Stelle, wo sie das Kreuz 
bildet, überschreiten wollten, kam wie im Fluge jene leichte Art Schlitten, 
die „Gaiße" genannt werden, angebraußt und —" guten Morgen Mündel! 
riess und war auch schon wieder weit weg und verschwunden. 
Einige Sekunden war Mündel wie vom Schlage getroffen — regungslos 
und stumm, dann aber sagte er, wie aus tiefstem Schrecken erwachend matt 
und tonlos: „Jetzt glaube ich, daß um diese Stunde der Teufel über das 
Megkreuz fährt. Das war mein Teufel! seufzte er schmerzlich und schwer. 
Lyriak, hast du ihn gekannt?" — Dann aber wie von jähem Grimm und 
Mahnwitz ergriffen, fing Mündel an, mit beiden Fäusten zu drohen und — 
„Diebe! Räuber! Mörder!" rief er, daß es grauenhaft die Nacht durch 
schallte. 
Jetzt ging Lyriak ein Licht auf. Der Jüngling sah pl.guch einen Zu 
sammenhang der Dinge, einen trostlosen verzweiflungsvollen, der gleichwohl 
für ihn feine schöne, hoffnungsgrüne Seite hatte. 
Mas vorübergefahren war, ob Teufel oder Räuber oder Mörder ge 
scholten vom Bauer, war doch ganz gewiß nichts anderes, als einer von 
Mündels Salzburger Freunden, nur mit dem Unterschiede, daß jetzt aus 
denselben Freunden Feinde geworden waren, die ihn in Not und Unglück 
stürzen wollen, daher des sonst braven und christlichen Mannes verzweifelter 
Entschluß, heut „kreiszustehen" und mit dem Bösen zu paktieren. Doch 
dem Leser ist ja Mündels bedrängnisvolles Verhältnis zu den Salzburgern 
ohnehin kein Geheimnis, und nur das weiß er noch nicht, daß Mündel 
auf den Stephanitag, also übermorgen, an dieselben Salzburger eine be- 
deutende Ratenzahlung unausbleiblich, das heißtz bei sonstiger Pfändung 
zu erleisten habe. 
Diese drängende Schuld, die Mündel nur mehr durch des Teufels Ver 
mittlung zu tilgen imstande war, oder daß er das nur meinte, das war
	        
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