Volltext: Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers 2. Theil [30] (II. Theil / 1932)

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Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers. 
Tannenholz müsse, und wie er heule vielleicht wieder, wie vor 
etlichen Wochen, dem wilden Gejaid in den Zug falle, da zitterte das 
arglose Mädchen an allen Gliedern, und ihre Kinnladen stießen 
klappernd gegeneinander. Der Mond hatte sich ganz in einen Wolken 
stock versenkt, den ein wind herangefrachtet hatte, und ich weiß nicht, 
war es diese jähe Finsterniß und das Gesäusel der Bäume, daß 
ich auf einmal vom Musikus nichts mehr sah noch hörte — — 
Das weiß ich als Nachbar bester, mein lieber Herr! sagte 
der bis jetzt schweigsame Alte. Der Spielmann — wollte er fort 
fahren, aber wir schossen sämtlich mit einem Sprung ans Fenster, 
denn eine jähe Helle und ein durchdringender Angstschrei aus der 
Stube ließen auf ein außerordentliches Unglück schließen, — ge 
rechter Gott! der Alten Bett hatte Feuer gefangen, und die wahn 
sinnige tanzte fast ganz entblöst mit infernalischer Lustigkeit im 
Zimmer herum. Mit vereinter Kraft sprengten wir die Türen, und 
waren noch so glücklich, den Brand zu löschen, und die Entsetzliche, 
die sich durch unglaubliche List oder Gewalt ihrer Fesseln entledigt 
hatte, wieder und nieder zu bändigen; aber die alte, ohnehin totkranke 
Mutter verschied, noch ehe ärztliche Hilfe und geistliche Labung 
konnte herbeigeholt werden, aus Schreck und Schmerz und Herzeleid. 
Marie hatte von dem Augenblicke an kein lichtes Intervall 
mehr, und als die herbeigeeilten Weiber für die abgeschiedene Seele 
beten wollten, unterbrach sie selbe durch tausenderlei Possen und 
Schnacken, lachte bald und fluchte bald, schrie, daß uns die Ohren 
gellten, und fang dann wieder mit ihrer klingenden Stimme, daß 
einem das Herz schmolz vor süßem Schauder: 
Winter ist's — kalt, kalt! 
Mutter ist alt, alt, 
Hab' gewollt die Stube wärmen, 
Hab' gewollt ihr Bettlein schmoren; 
Da kamt ihr herein mit Lärmen — 
Seht, nun ist sie gar erfroren! 
Dann lachte und weinte sie, und wurde endlich wieder 
rhythmisch und sang mit erschütternder Wahrheit in Ton und 
Uebergang: 
Auch der Geiger hat's gern warm 
Bald im Herzen, bald im Arm 
Mußt' ich den Erstarrten wiegen, 
Und nun läßt er, das ist häßlich, 
Mich auf kaltem Boden liegen, 
Und verschmachten, das ist gräßlich! 
Kathrin! frug sie dann ein nebenstehendes Mädchen mit rot 
geweinten Augen, hast du meinen schönen Geiger gekannt? Sag',
	        
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