Volltext: Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers 2. Theil [30] (II. Theil / 1932)

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Die Lebensgeschichte Franz ^Stelzhamers. 
Aber der Geiger Halle es nichl nur in den Fingern, er Halle 
es auch hinler den Ohren; denn weil enlfernl, daß er durch unzeiliges 
Dareinsprechen den Zauber gebrochen Halle, hob er sich vielmehr 
bald leise vom Pfahle, woran er gelehnl, hinweg, und verschwand, 
ohne ein Wort zu verlaulbaren, zwischen Strauch und Baum, mil 
eiligen Schrillen. 
Er konnte schon gehen und verschwinden, o ja o ja! er konnte 
es, ließ er doch zurück, was weil mehr war, als er selbst — den 
Geist des Unfriedens und der Sehnsucht in VTiax ien's Herzen. 
Sie lag lange noch zwischen Schauer und Glut am Fenster, und irrte 
in sehnsüchtiger Unruhe mil den Augen herum unter dem Gesträuch 
und Baumwirbeln, wo er verschwunden. Sie meinte nichl anders, er 
müßte noch einmal, jetzt und jetzt heraustreten aus der grünen 
Schallenwell in die mondhelle Fläche, oder es müßte sein wunder 
bares Saitenspiel noch einmal, doch wenigstens zum Gulnachlgruß 
von ferne herüberlönen, und sie zur Ruhe bestallen; aber vergebens! 
er war wie der majestätische Stern geräuschlos hinunlergezogen und 
spurlos verschwunden, wie der Mond, der verherrliche der Nacht. 
(Ls weckten schon die Morgenlüfte die Vögel des Hains zum Gesang 
und ermahnten die Tautropfen, an die Blumen sich in Silber- und 
Goldkügelchen zu sammeln, um die Erde zu schmücken, wenn jählings 
ihr Bräutigam Tag über die Himmelsschwelle schritte; alles geschah 
nach altem weltbrauch, aber der Wunsch ihres Herzens blieb unge 
stillt. Ohr und Aug' hatten vergebens gelauscht. In der innersten 
Mitte war ihr Bettlein noch ein wenig warm geblieben, o, das war 
so wonnig! sie schob sich hin und verkroch sich wie die Küchlein unter 
den Flügeln der Gluckhenne; aber sie mußte aller Augenblicke auf 
fahren, weil sie die wunderbare Fidel zu hören vermeinte — ach 
nein! das schöne Vögelchen war's, das unter dem Dache sein Nest 
anbaut, und, um kurz zu sein, so äffte die Arme heut alles, die 
zwitschernde Schwalbe, der krächzende Nachbarshahn, und Ruhe 
war keine! wie sie auch die Augen schloß, sie sah den herrlichen 
Geiger am Pfahle lehnen, wie sie sich auch auf's Ohr legte, sie hörte 
seine zauberischen weisen. 
Mirza! rief es endlich. Gottlob! es war der emsigen 
Mutter Ruf zum Aufstehen. Am Tage und arbeitend wird ihr doch 
das Gesinge in den Ohren, und vor den Augen das Geflirre 
vergehen! 
Bin schon wach, Mutter! und hastig, wie sonst nimmer, fuhr 
sie ins Gewand, und den ganzen Brunnenstrahl, wie sonst nie, ließ 
sie sich über Haupt und Nacken laufen, und eilfertiger als je griff sie 
nach diesem und dem, und die Mutter mußte sich laut wundern, und 
der Vater schüttelte leise das sorgenschwere Haupt.
	        
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