Volltext: Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers 2. Theil [30] (II. Theil / 1932)

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Die Lebensgeschichte Franz Stelzharners. 
Frömmigkeit und anzuhören wie der lebendige Glaube; — er 
kommt und setzt sich freundlich zu ihm, um mit seiner Herzensklarheit 
des unglücklichen Mitbruders Finsternis zu lichten. 
So lang der fromme Vater, lautete die Ordre, so lang der 
Priester beim armen Sünder weilt, ist aller Einlaß verboten. 
Stunde um Stunde verging, es ward Mittag, halber Abend, 
Abend, Nacht, Mitternacht, Morgen, der Pater ging nicht, konnte 
nicht gehen — eine ganze Schöpfung von Untat und Gräuel ent 
hüllte sich vor seinen forschenden Augen- aber zugleich erschienen 
auch des Sünders Reue und Bußtränen, die fuhren wie Feuer und 
Sintflut, in die böse Welt und vertilgten sie völlig, und jetzt meinte 
der Fromme die Engel zu hören, die über den bekehrten Sünder 
mehr und Heller frohlocken, als über neunundneunzig Gerechte; da 
schlug die Turmuhr, es war die Stunde zum — letzten Gang. 
Ihr habt die meisten bereits das traurige Schauspiel gesehen, 
und die es nicht gesehen, mögen beten, daß ihr Auge damit verschont 
bleibe! 
Eine große Menge Menschen jedes Alters und Standes, scheu, 
unbehaglich und doch ungeduldig und hastig; in der Mitte dieser 
ein Viereck bewaffneter Männer, die meisten ohne Ausdruck, in der 
Mitte dieses aber ein Mensch, so erschöpft und kraftlos, als wenn 
er Himmel und Erde trüge, und er trägt doch nur einige Pfund 
Eisen und ein umblümtes Rreuzlein! Aber legt auf feine Schultern 
Himmel und Erde, nur nehmt ihm die einigen Pfunde und das 
Rreuzlein, denn an ihnen hängt das Gefühl und Bewußtsein seines 
nahen, gewaltsamen Todes, und das ist schwerer, als Erde und 
Himmel. 
So ist es jedesmal und so war's auch heut! 
Doch unser Mann war beispiellos stark: er war die ganze 
Strecke gegangen, und hatte noch Rraft, unter den Zuflüsterungen 
seines Seelenfreundes, das Schaffst zu besteigen und noch einen 
Augenblick die liebe Gotteswelt zu betrachten — eben entquoll die 
Sonne aus der Unendlichkeit des Raumes und stürzte, ein feuriger 
Gießbach, über die Berge nieder auf die höhe — sinnreich und be 
sonnen drängte er ihren Tageslauf in seinem Augenblicke zusammen, 
wandte sich vom Ausgang über Mittag nach Niedergang — steh! das 
unferne Golgatha stand verklärt zum lichten Tabor. 
Und wahrlich, ja wahrlich, 
Zu helfen ist dir nimmer! 
sang es in dem nämlichen Augenblicke von einem Baume herrüber, 
den der irrsinnige Bettler Niklas erklettert hatte. 
Gerechter Gott! stöhnte der Verurteilte — aufgeschlagen lag 
mit eins Rapitel und Seite seines Lebenslaufes, wo die Zeile mit
	        
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