Volltext: Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers 2. Theil [30] (II. Theil / 1932)

Der gesegnete Lebensherbst, als Hinterlage Reim und Prosa in Hochdeutsch. 273 
schichte des Grams; suchte sich zu sammeln und zuckte und schillerte 
wie einstockende Kristalle; da schlug ein Seufzer an sein Ohr. 
Giulio sah sich schnell rundum in seinem Fimmel. Oh, da war 
alles froh, entzückt, selig, und konnte unmöglich Eins so schmerzlich 
seufzen! 
Wonnematt sank er wieder unter. 
Giulio! rief eine schwache, kranke Stimme, und der Ruf 
wirbelte wie ein Notanker aus sturmbewegter Höhe nieder zu ihm 
und faßte Grund auf seinem Kerzen. 
So kläglich konnte Kein's in seinem Fimmel rufen! Hurtig 
schwang und hastete er sich empor am zitternden Ankertaue, und 
wischte sich wie ein Meerentstiegener die Traumslut aus Locken und 
Angesicht und öffnete die Augen — hu, das war schrecklich! — Mit 
ihrer finstern Miene stand vor ihm die alte Riesin: Wirklichkeit — 
faßte ihn —- hebt ihn — und prallt ihn gewaltsam, wie man spitze 
pfähle in den Grund schleudert, hin in die Mitte der Kammer — 
hier — die Pfeiler deines Triumphbogens — dort — deine Herzens 
königin! höhnt die Riesin; zugleich fährt ein Helles Mondlicht durch 
das Laubwerk vor dem Feyster, wie eine zeigende Hand geformt, in 
die dunkle Kammer und hüpft und deutet hier — auf zwei Krücken 
stäbe, dort — auf ein elendes Lager, worauf eine elende Gestalt 
ächzt — die Turmuhr draußen schlug Eins. 
Giulio, mein Sohn! ruft es wieder matt und kläglich. — 
A ch, seine alte, mühselige Mutter ist's! 
Mutter, ich höre! antwortete der Jüngling, und der Ruf 
tönt, wie zwei mißgestimmte Saiten, dann steht er zu ihren Häupten 
und ist ganz Wille und Opfer. 
Ach, Giulio, ich hatte einen schweren Traum! Mir 
träumte — aber du mußt nicht weinen, Giulio! — mir träumte, 
ich sei gestorben, und ward meiner Seele gestattet, von der letzten 
Wolkenhöhe herab mein eigenes Begräbnis mit anzusehen und mit 
zubegehen. Das Häuflein derer, so mir die letzte Liebe erwiesen, 
war, wie im Leben, klein, klein! Der Priester sprach den Segen, 
die Truhe versank und alles wandelte feine Wege, nur du, mein 
Giulio, standest noch eine weile, wie eine geknickte Blume über 
mein Kreuz gebeugt und weintest allerlei Tränen. Ich durfte dir, 
so gern ich es getan hätte, nicht sagen, wie wohl mir sei, und daß 
du um mich kein Leides haben sollst; dafür hatte ich eine wunder 
same Spiegelung von deinem zukünftigen Leben und Ende, die ich 
mir aber nicht recht zu Trost ausdeuten konnte. 
Meines Lebens und Endes, Mutter? 
Ja! du standest noch am Grabe, mein Giulio, da kamen 
aus Ost und West gegen dich zwei große Vögel angeflogen; einer
	        
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