Volltext: Bilder aus dem Volksleben des Mühlviertels [24]

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Die Waldmühle. 
Dann wird umständlich jede Truhe visitiert — noch immer mit 
dem Ausruf: „Ls ist nicht viel!" Schon aber beeilt sich der höfliche 
Besuch staunend und bewundernd auszurufen: „I jegerl, das Leut 
hat Sach'!" Und fo fort in immer höherem Tone, je mehr die Visi 
tation dem Ende zugeht. 
Schließlich zeigt wohl gar die Brautmutter mit etwas er 
künstelter Gleichgültigkeit auf etliche Truhen, mit den Worten: „Da 
herunten Ham mär ä nu ä zwo Truhän; da is holt ä weng ä Tuah 
(Leinwand) drinn!" 
Da geht nun das Verwundern erst recht an, mit: „CD mei, o 
mei, jecham na) hats Leut, hat dös Mensch Sach!" — 
Von der anderen Seite folgt dann gewöhnlich die mit höchst 
durchsichtigem Stolze hingeworfene Aeußerung: „Ja, mir kinnän ihr 
halt nit mehr geb'n!" 
wehe dem Hause, wenn der neiderfüllte Besuch irgend welche 
Veranlassung zum Tadel findet. — Das wird dann verwertet, aus 
einandergezerrt, häßlich aufgeputzt und der ländlichen Lhronie fcan- 
daleufe übergeben, die mitunter die städtische übertreffen mag. 
Aber heute hat der Neid einen schlechten Feiertag! — Vorerst 
wird er schon entwaffnet durch die liebliche Erscheinung der Tochter 
des Kaufes, die mit natürlicher Eleganz und ungeheuchelter Be 
scheidenheit im Gastzimmer des Kaufes (gewöhnlich die obere Stube 
genannt) die Honneurs macht. Dann sind aber auch die Brauttruhen 
fo zahlreich und so wohlgefüllt, daß auch die böswilligste Zunge 
schweigen und das schärfste Auge sich schließen muß. 
Fürwahr, für dieses Leben bist du versorgt, Marie! Du hast so 
viele Kleider, daß du sie nie alle verreißen, so viel an Leinwand, daß 
du sie nie verschneiden kannst, — deine Mutter hat dich redlich aus 
staffiert! Ls muß aber auch eine brave Mutter fein, die Stein 
hoferin! wie ungezwungen sie sich benimmt! Man sieht es ihr an, daß 
sie mehr auf das Rind stolz ist als auf die Sachen. — Gewiß, sie 
betrachtet den morgigen Tag eigentlich als ihren Ehrentag; denn das 
Glück ihrer Tochter ist ja erst recht das ihrige! Und das einzige Rind! 
Jetzt tritt der alte Steinhofer aus dem Meierhof ins Haus. Er 
hat bei den Pferden nachgesehen und schreit jetzt feiner Tochter, die 
ihm ebensosehr ans Herz gewachsen wie der Mutter. Die Marie war 
ein. aufmerksames Rind und schnell an feiner Seite. — Ls ist ein 
nettes Genrebild, dies blühende Geschöpf an der Seite des etwas 
gebeugten Mannes, auf der Schwelle stehend. Der Alte hat ihre Hand 
genommen und sagt ihr feine besten Ratschläge ins Ohr, die sie mit 
treuherzigem Blick entgegennimmt; doch an einem solchen Tag ist keine 
Zeit mehr vorhanden zu ruhigem Zwiegespräch. — Schon drängt ein 
neuer Besuch zum Hause herein; diesmal ist's der Rechte.
	        
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