Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Die Reflexion. 
499 
III. Grund und Folge. 
1. Der zureichende Grund. 
Der Widerspruch, welcher in dem sich selbst Entgegengesetztsein, in 
„dem Unterschiede seiner von ihm selbst" besteht, muß sich auflösen: 
die Entgegensetzung geschieht, das sich selbst entgegengesetzte Wesen 
stößt sich von sich selbst ab und geht in zwei Bestimmungen aus 
einander, deren eine die setzende, die andere die dadurch gesetzte ist: 
jene ist der Grund, diese das Begründete oder die Folge. Es giebt 
nichts Unmittelbares; alles Dasein ist vermittelt und will als ver 
mittelt, d. h. als begründet gedacht werden. Alles, was ist und 
geschieht, hat seinen zureichenden Grund. So lautet das letzte 
der sogenannten Denkgesetze (xrinoixiurn rationis sufficientis). Eigent 
lich ist es überflüssig zu sagen: „der zureichende Grund". Wenn 
der Grund zum Begründen nicht zureicht, so begründet er nicht und 
ist also kein Grund: daher muß die Bezeichnung „zureichend", 
wenn sie nicht pleonastisch sein will, mehr bedeuten, als der Begriff 
des Grundes besagt. Und so verhält es sich auch im Sinne Leibnizens, 
der das Denkgesetz in der genannten Formel ausgesprochen hat. Das 
bloße Begründen führt ins Endlose und kommt zu keinem endgültigen, 
vollendeten, wahrhaft zureichenden Grunde, der als solcher über den 
Mechanismus des bloßen Begründens hinausgeht. Dies war Leib 
nizens Idee. Nach ihm ist der zureichende Grund nicht der mechanische 
(das Warum des Warum), er liegt in der Reihe nicht der cau8ae 
efficientes, sondern der causae finales: es ist der teleologische 
Grund, d. h. der Zweck und Endzweck, also in Ansehung alles dessen, 
was in der Welt ist und geschieht, der Wille der göttlichen Gerechtig 
keit und Weisheit? 
In dem Verhältniß von Grund und Folge sind Identität und 
Unterschied als Momente enthalten. Grund und Folge sind identisch 
und haben denselben Inhalt. Grund und Folge sind verschieden: die 
von der Folge verschiedenen Gründe sind die Bedingungen und Um 
stände, aus deren vollständiger Vereinigung die Folge resultirt. Die 
Verschiedenheit entwickelt sich zum Gegensatz, die verschiedenen Gründe 
sind in Beziehung auf die Folge einander entgegengesetzt: die einen 
sprechen dafür, die anderen dawider. Das Begründen in diesen 
- Bd. IV. Cap. III. S. 77—114. Anmerk. S. 74 u. 75. Vgl. Bd. VI. 
8 121. S. 246-248. 
32»
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.