Die Reflexion.
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III. Grund und Folge.
1. Der zureichende Grund.
Der Widerspruch, welcher in dem sich selbst Entgegengesetztsein, in
„dem Unterschiede seiner von ihm selbst" besteht, muß sich auflösen:
die Entgegensetzung geschieht, das sich selbst entgegengesetzte Wesen
stößt sich von sich selbst ab und geht in zwei Bestimmungen aus
einander, deren eine die setzende, die andere die dadurch gesetzte ist:
jene ist der Grund, diese das Begründete oder die Folge. Es giebt
nichts Unmittelbares; alles Dasein ist vermittelt und will als ver
mittelt, d. h. als begründet gedacht werden. Alles, was ist und
geschieht, hat seinen zureichenden Grund. So lautet das letzte
der sogenannten Denkgesetze (xrinoixiurn rationis sufficientis). Eigent
lich ist es überflüssig zu sagen: „der zureichende Grund". Wenn
der Grund zum Begründen nicht zureicht, so begründet er nicht und
ist also kein Grund: daher muß die Bezeichnung „zureichend",
wenn sie nicht pleonastisch sein will, mehr bedeuten, als der Begriff
des Grundes besagt. Und so verhält es sich auch im Sinne Leibnizens,
der das Denkgesetz in der genannten Formel ausgesprochen hat. Das
bloße Begründen führt ins Endlose und kommt zu keinem endgültigen,
vollendeten, wahrhaft zureichenden Grunde, der als solcher über den
Mechanismus des bloßen Begründens hinausgeht. Dies war Leib
nizens Idee. Nach ihm ist der zureichende Grund nicht der mechanische
(das Warum des Warum), er liegt in der Reihe nicht der cau8ae
efficientes, sondern der causae finales: es ist der teleologische
Grund, d. h. der Zweck und Endzweck, also in Ansehung alles dessen,
was in der Welt ist und geschieht, der Wille der göttlichen Gerechtig
keit und Weisheit?
In dem Verhältniß von Grund und Folge sind Identität und
Unterschied als Momente enthalten. Grund und Folge sind identisch
und haben denselben Inhalt. Grund und Folge sind verschieden: die
von der Folge verschiedenen Gründe sind die Bedingungen und Um
stände, aus deren vollständiger Vereinigung die Folge resultirt. Die
Verschiedenheit entwickelt sich zum Gegensatz, die verschiedenen Gründe
sind in Beziehung auf die Folge einander entgegengesetzt: die einen
sprechen dafür, die anderen dawider. Das Begründen in diesen
- Bd. IV. Cap. III. S. 77—114. Anmerk. S. 74 u. 75. Vgl. Bd. VI.
8 121. S. 246-248.
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